Haufe.de: Zwischen den Autos muss nicht gestreut werden

Die Streupflicht auf einem Supermarktparkplatz erstreckt sich im Regelfall nicht auf den Bereich zwischen den abgestellten Fahrzeugen. Es reicht, den Weg von und zu den Autos schnee- und eisfrei zu halten.


Hintergrund: Kundin rutscht beim Aussteigen aus und stürzt
Eine Kundin verlangt vom Betreiber eines Lebensmittelmarktes und dem von diesem beauftragten Winterdienstunternehmen nach einem Sturz Schadensersatz.
Die Kundin hatte ihr Fahrzeug an einem frostigen Dezembermorgen gegen 8:15 Uhr auf einer markierten Stellfläche auf dem Parkplatz des Marktes abgestellt, um im Markt einzukaufen. Der Parkplatz wird außer von den Kunden auch von Anwohnern genutzt, die teilweise ihre Fahrzeuge über Nacht abstellen.
Beim Aussteigen aus ihrem Auto rutschte die Kundin zwischen den parkenden Fahrzeugen auf einer Eisfläche aus, die sich über Nacht gebildet hatte, stürzte und zog sich Verletzungen zu. An der Unfallstelle war nicht gestreut.
Die Kundin meint, der Supermarktbetreiber und der Winterdienst hätten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt und seien zum Schadensersatz verpflichtet.
Entscheidung: Keine Streupflicht zwischen Autos
Die Klage auf Schadensersatz hat keinen Erfolg. Es liegt keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Im Bereich zwischen den Fahrzeugen hat keine Streupflicht bestanden.
Grundvoraussetzung für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen Verstoßes gegen Räum- und Streupflichten sind entweder
das Vorliegen einer allgemeinen Glätte oder erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen.
Aber auch bei allgemeiner Glättebildung besteht keine uneingeschränkte Räum- und Streupflicht. Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherung richten sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Die Streupflicht als Teil der Verkehrssicherungspflicht soll nur wirkliche Gefahren beseitigen, nicht aber bloßen Unbequemlichkeiten vorbeugen. Entstehung, Umfang und Maß einer Streupflicht richten sich danach, was zur gefahrlosen Sicherung des Verkehrs erforderlich ist, dem die jeweilige Verkehrseinrichtung dient, und was dem Pflichtigen zumutbar ist. Eine für alle Parkflächen gleichmäßig geltende Regel lässt sich nicht aufstellen.
Geringere Sturzgefahr zwischen den Fahrzeugen
Selbst wenn man im vorliegenden Fall von einer allgemeinen Glättebildung ausgeht, bestand im Bereich der markierten Stellflächen keine Streupflicht.
Im Bereich markierter Stellflächen geht von einer Glättebildung regelmäßig eine eher geringe Gefahr aus, weil die Fahrzeuginsassen diesen Bereich nur beim Ein- und Aussteigen betreten müssen und sich am Fahrzeug festhalten können. Es ist daher grundsätzlich nicht erforderlich, einen Parkplatz so streuen, dass bereits beim Aussteigen aus jedem Fahrzeug abgestumpfter Boden betreten werden kann.
Das gilt auch für einen öffentlich zugänglichen Kundenparkplatz. Es reicht aus, den Kunden zu ermöglichen, ihr Fahrzeug unbeeinträchtigt von einer Glättebildung zu be- und entladen und eine Möglichkeit zu schaffen, den Platz gefahrlos zu verlassen beziehungsweise die Fahrzeuge gefahrlos zu erreichen.
Komplettes Streuen in den Morgenstunden nicht erforderlich
Es war auch nicht erforderlich, den Bereich der markierten Stellflächen vor der Öffnung des Marktes einmalig zu streuen. Ob für Kundenparkplätze eine solche Pflicht besteht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da hier auch Anwohner ihre Fahrzeuge über Nacht abgestellt haben, war nicht gewährleistet, dass der Parkplatz morgens frei war und die Stellflächen mit zumutbarem Aufwand gestreut werden konnten.
Den Parkplatz nachts zu sperren und verbliebene Fahrzeuge abzuschleppen, um den Parkplatz morgens maschinell streuen zu können, war ebenfalls nicht notwendig. Dies würde den Umfang der Verkehrssicherungspflicht überdehnen.
Mit glatten Stellen ist zu rechnen
Schließlich ist eine Streupflicht auch nicht deshalb zu bejahen, weil die Kundin auf einer überfrorenen Bodenvertiefung ausgerutscht ist, die sie aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse nicht habe erkennen können. Im Belag eines Parkplatzes ist mit Vertiefungen und der Bildung von Glättestellen bei Feuchtigkeit und Kälte zu rechnen. Auch sind eingeschränkte Lichtverhältnisse zwischen parkenden Autos in den Morgenstunden der Dezembertage nicht außergewöhnlich.
Fußgänger müssen im Winter besonders vorsichtig sein
Im Übrigen enthebt die Erwartung, bei winterlichen Witterungsverhältnissen ordnungsgemäß geräumte oder gestreute Wege vorzufinden, den Fußgänger nicht der eigenen Verpflichtung, sorgfältiger als sonst seines Weges zu gehen.
(BGH, Urteil v. 2.7.2019, VI ZR 184/18)
Quelle: Haufe.de – Online-Redaktion – Link zum Originalbericht

Bundesgerichtshof bejaht "Beschlusszwang" für bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums nach neuem Wohnungseigentumsrecht

Der Bundesgerichtshof hat sich heute mit dem neuen Wohnungseigentumsrecht befasst und entschieden, dass ein Wohnungseigentümer, der eine in der Gemeinschaftsordnung nicht vorgesehene bauliche Veränderung vornehmen will, einen Gestattungsbeschluss notfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage herbeiführen muss, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird.Sachverhalt:Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit zwei Doppelhaushälften auf einem im Gemeinschaftseigentum stehenden Grundstück. Nach der Gemeinschaftsordnung von 1971 bestimmt sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nach dem Gesetz, wobei jedem Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht an dem an die jeweilige Haushälfte anschließenden Gartenteil zusteht. Ausweislich einer späteren Ergänzung der Teilungserklärung sind sie insoweit allein für Reparaturen und Instandhaltungen verantwortlich und kostenpflichtig. Die Beklagten beabsichtigen gegen den Willen der Klägerin den Bau eines Swimmingpools in der von ihnen genutzten Hälfte des Gartens.Bisheriger Prozessverlauf:Nachdem die Beklagten mit dem Bau des Swimmingpools begonnen hatten, hat die Klägerin Unterlassungsklage erhoben, die bei Amts- und Landgericht Erfolg gehabt hat. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollten die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision zurückgewiesen. Das Landgericht hat der Unterlassungsklage zu Recht stattgegeben. Dabei ist es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend davon ausgegangen, dass die Prozessführungsbefugnis der Klägerin fortbesteht, da die Klage noch unter dem alten Recht erhoben worden ist.Im Ausgangspunkt steht der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Bauliche Veränderungen müssen nämlich gemäß § 20 Abs. 1 WEG durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer gestattet werden. Daran fehlt es hier. Die Wohnungseigentümer haben das Beschlusserfordernis auch nicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG abbedungen. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der Gemeinschaftsordnung nebst Ergänzung. Zwar steht den Beklagten ein Sondernutzungsrecht an dem hälftigen Grundstück zu. Ein solches Sondernutzungsrecht berechtigt aber nicht zu grundlegenden Umgestaltungen der jeweiligen Sondernutzungsfläche, die wie der Bau eines Swimmingpools über die übliche Nutzung hinausgehen. Hierbei handelt es sich auch nicht um eine Reparatur oder Instandsetzung. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte für eine konkludente, von dem grundsätzlichen Beschlusserfordernis bei baulichen Veränderungen abweichende Vereinbarung. Dies lässt sich insbesondere nicht etwaigen baulichen Veränderungen entnehmen, die die Klägerin selbst ohne das Einverständnis der Beklagten vorgenommen haben soll.Diesem Unterlassungsanspruch können die Beklagten einen eventuellen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung gemäß § 20 Abs. 3 WEG nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenhalten. Zwar kann gemäß § 20 Abs. 3 WEG jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind oder wenn kein anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigt wird. Die fehlende Beeinträchtigung der Klägerin und damit einen Gestattungsanspruch der Beklagten musste der Bundesgerichtshof für die Revisionsinstanz unterstellen, weil das Landgericht diese Frage offengelassen und keine Feststellungen insbesondere zu der Grundstücksgröße und den baulichen Verhältnissen vor Ort getroffen hatte.Auch wenn ein bestehender Gestattungsanspruch unterstellt wird, muss die Gestattung durch Beschluss der Wohnungseigentümer erfolgen. Die vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes zum 1. Dezember 2020 umstrittene Frage, ob bauliche Veränderungen eines Beschlusses bedürfen, hat der Gesetzgeber in Kenntnis dieses Streits nunmehr eindeutig entschieden, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden und die vielfältigen Zweifelsfragen im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen zu beseitigen. Danach bedarf jede von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eines legitimierenden Beschlusses, auch wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. So wird sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden.Damit ist das Verfahren bei beabsichtigter baulicher Veränderung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer vorgezeichnet. Es ist Sache des bauwilligen Wohnungseigentümers, einen Gestattungsbeschluss gegebenenfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG) herbeizuführen, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird. Handelt er dem zuwider, haben die übrigen Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch. Dass der bauwillige Wohnungseigentümer dem Unterlassungsanspruch seinen Gestattungsanspruch nicht unter Berufung auf Treu und Glauben entgegenhalten kann, ist keine bloße Förmelei. Es ist gerade Sache des bauwilligen Wohnungseigentümers, den gesetzlich geforderten Beschluss über die bauliche Veränderung herbeizuführen. Notfalls muss er Beschlussersetzungsklage erheben. Demgegenüber sollen die übrigen Wohnungseigentümer nicht in die Rolle gedrängt werden, auf die Erhebung einer Klage durch die Gemeinschaft hinwirken zu müssen. Vorteil dieses nunmehr eindeutig geregelten Verfahrens ist außerdem, dass mit Bestandskraft eines gestattenden Beschlusses (bzw. Rechtskraft eines Urteils, das einen Gestattungsbeschluss ersetzt) zwischen den Wohnungseigentümern ebenso wie im Verhältnis zu deren Rechtsnachfolgern feststeht, dass die bauliche Veränderung zulässig ist.Vorinstanzen:AG Bremen – Urteil vom 12. Mai 2021 – 28 C 48/20LG Bremen – Urteil vom 8. Juli 2022 – 4 S 176/21Die maßgeblichen Vorschriften lauten:§ 20 WEG:Abs. 1: "Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden".Abs. 2 (…)Abs. 3: "Unbeschadet des Absatzes 2 kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind".Urteil vom 17. März 2023 - V ZR 140/22Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 17.03.2023

BGH: Verteilung des im Gebäudeversicherungsvertrag vereinbarten Selbstbehalts auf die Wohnungseigentümer

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass bei einem Leitungswasserschaden, der im räumlichen Bereich des Sondereigentums eingetreten ist, der im Gebäudeversicherungsvertrag vereinbarte Selbstbehalt – vorbehaltlich einer abweichenden Regelung - von allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu tragen ist.Sachverhalt:Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Zu der Anlage gehören die Wohnungen der Beklagten und die gewerbliche Einheit der Klägerin. Die Gemeinschaft unterhält eine Gebäudeversicherung, die neben anderen Risiken auch Leitungswasserschäden abdeckt (sog. verbundene Gebäudeversicherung). Der Versicherungsschutz besteht für das gesamte Gebäude, ohne dass zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum unterschieden wird. In der Vergangenheit traten aufgrund mangelhafter Leitungen (Kupferrohre) wiederholt Wasserschäden in den Wohnungen der Beklagten auf, die sich allein im Jahr 2018 auf rd. 85.000 € beliefen. Die Gemeinschaft macht deshalb bereits seit geraumer Zeit vor Gericht Ansprüche gegen das Unternehmen geltend, das die Leitungen verlegt hat. Bislang ist die Praxis in der Gemeinschaft so, dass die Verwalterin bei einem Wasserschaden ein Fachunternehmen mit der Schadensbeseitigung beauftragt und die Kosten von dem Gemeinschaftskonto begleicht. Sie nimmt die Versicherung in Anspruch und legt die Kosten unter Abzug der Versicherungsleistung nach Miteigentumsanteilen um, und zwar auch insoweit, als die Schäden im Bereich des Sondereigentums entstanden sind. Aufgrund der Schadenshäufigkeit beträgt der in jedem Schadensfall verbleibende Selbstbehalt inzwischen 7.500 €. Dies hat zur Folge, dass die Versicherung nur noch ca. 25 % der Schäden erstattet. Gestützt auf die Behauptung, die Mängel an den Leitungen seien jeweils hinter den Absperreinrichtungen in den betroffenen Wohneinheiten aufgetreten, verlangt die Klägerin mit ihrer auf zwei Anträge gestützten Beschlussersetzungsklage eine von der bisherigen Praxis abweichende Verteilung des Selbstbehalts. Sie will erreichen, dass sie nicht aufgrund des im Versicherungsvertrag vereinbarten Selbstbehalts anteilig an den Kosten für die Beseitigung von Leitungs- und Folgeschäden beteiligt wird, die nach ihrer Ansicht ausschließlich an dem Sondereigentum der Beklagten entstanden sind; auch verweist sie darauf, dass in ihrer Einheit bislang kein Schaden aufgetreten ist.Bisheriger Prozessverlauf:Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin vor dem Landgericht ist erfolglos geblieben. Dagegen hat sich die Klägerin mit der zugelassenen Revision gewandt.Entscheidung des Bundesgerichtshofs:Keinen Erfolg hatte die Revision, soweit sich die Klägerin mit dem Antrag zu 1 gegen die Rechtmäßigkeit der derzeitigen Verwaltungspraxis wendet. Anders verhält es sich im Hinblick auf den Antrag zu 2, der einen Anspruch der Klägerin auf die künftige Änderung des Kostenverteilungsschlüssels zum Gegenstand hat. Insoweit hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.Dem liegen folgende Erwägungen zu Grunde:Die für den Erfolg einer Beschlussersetzungsklage erforderliche Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer betreffend den Antrag zu 1 ist gegeben. Kommt es für die Beurteilung, ob eine Verwaltungsmaßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, - wie hier - auf eine umstrittene und höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage an, ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt, durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden, welche Auffassung für die künftige Verwaltungspraxis maßgeblich sein soll. Dass der Rechtsstreit gegen das Unternehmen, das die Kupferrohrleitungen verlegt hatte, noch nicht abgeschlossen ist, lässt den Regelungsbedarf für die Beschlussersetzungsklage nicht entfallen. Hierauf muss sich die Klägerin nicht verweisen lassen, zumal die Dauer des Verfahrens nicht absehbar ist.Da die in der Gemeinschaft derzeit praktizierte Verteilung des Selbstbehalts bei einem Leitungswasserschaden nach Miteigentumsanteilen rechtmäßig ist, kann die Klägerin nicht verlangen, dass ein ihrer Rechtsauffassung entsprechender Beschluss durch das Gericht ersetzt wird. Hierauf zielt der Antrag zu 1. Tritt in einer Wohnungseigentumsanlage aufgrund einer defekten Wasserleitung ein Schaden ein, ist ein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in der verbundenen Gebäudeversicherung vereinbarter Selbstbehalt, durch den der Versicherer einen bestimmten Teil des ansonsten versicherten Interesses nicht zu ersetzen hat, wie die Versicherungsprämie nach dem gesetzlichen bzw. vereinbarten Verteilungsschlüssel zu verteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Leitungswasserschaden an dem Gemeinschaftseigentum oder – ausschließlich oder teilweise - an dem Sondereigentum entstanden ist. Zwar stellt nach versicherungsrechtlichen Maßstäben die Vereinbarung eines Selbstbehalts im Versicherungsvertrag, bei dem der Versicherer einen bestimmten Betrag des versicherten Schadens nicht ersetzen muss, einen Fall der bewussten Unterversicherung dar. Es würde jedoch der Interessenlage der Wohnungseigentümer bei Abschluss einer verbundenen Gebäudeversicherung nicht gerecht, wenn der geschädigte Sondereigentümer den Selbstbehalt alleine tragen müsste. Die Entscheidung für einen Selbstbehalt im Versicherungsvertrag ist regelmäßig damit verbunden, dass die Gemeinschaft als Versicherungsnehmerin eine herabgesetzte Prämie zu zahlen hat. Das ist für die Wohnungseigentümer wegen der damit einhergehenden Verringerung des Hausgeldes wirtschaftlich sinnvoll. Von sonstigen Fällen einer bewussten Unterversicherung unterscheidet sich der Selbstbehalt wegen des typischerweise überschaubaren und genau festgelegten Risikos. Grundlage der Entscheidung zugunsten eines Selbstbehalts ist dabei die Erwartung der Wohnungseigentümer, dass dieses durch Mehrheitsentscheidung eingegangene Risiko für alle vom Versicherungsumfang erfassten Sachen gemeinschaftlich getragen wird.An dem Ergebnis ändert sich nichts, wenn der Versicherer – wie hier - die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses in einer schadengeneigten Wohnungseigentumsanlage von der Vereinbarung eines Selbstbehaltes abhängig macht. Auch dann kommt die Vereinbarung eines Selbstbehalts allen Wohnungseigentümern zugute, und zwar deshalb, weil andernfalls deren Anspruch gegen die Gemeinschaft auf angemessene Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert nicht erfüllt werden könnte. Im Ergebnis stellt daher der im Schadensfall in der verbundenen Gebäudeversicherung verbleibende Selbstbehalt bei wertender Betrachtung wie die Versicherungsprämie einen Teil der Gemeinschaftskosten gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG dar.Diese Überlegungen rechtfertigen allerdings nicht die Abweisung des Antrags zu 2. Mit diesem Antrag will die Klägerin erreichen, dass der Selbstbehalt bei einem Schaden am Sondereigentum der Wohneinheiten allein von den Eigentümern der Wohneinheiten getragen wird, während sie ihrerseits für den Selbstbehalt bei einem Schaden am Sondereigentum der gewerblichen Einheit aufkommen muss. Das ist so zu verstehen, dass der derzeit maßgebliche Verteilungsschlüssel für die Zukunft geändert werden soll. Hierzu sind die Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG befugt. Ein Anspruch eines einzelnen Wohnungseigentümers (wie der Klägerin) auf eine solche Beschlussfassung ist aber nur dann gegeben, wenn gemäß § 10 Abs. 2 WEG ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Da es insoweit an hinreichenden Feststellungen fehlt, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Für das weitere Verfahren hat er darauf hingewiesen, dass eine – im Vergleich zu den übrigen Eigentümern – unbillige Belastung der Klägerin in Betracht kommen könnte, wenn das (alleinige bzw. jedenfalls überwiegende) Auftreten der Leitungswasserschäden im Bereich der Wohneinheiten auf baulichen Unterschieden des Leitungsnetzes in den Wohneinheiten einerseits und der Gewerbeeinheit andererseits beruhen sollte. Nicht ausreichend wäre es demgegenüber, wenn die Ursache bei gleichen baulichen Verhältnissen in einem unterschiedlichen Nutzungsverhalten läge.Vorinstanzen:AG Köln - Urteil vom 21. Juli 2020 - 204 C 171/19LG Köln - Urteil vom 18. März 2021 - 29 S 146/20Die maßgeblichen Vorschriften lauten:§ 10 WEG Allgemeine Grundsätze(1) […](2) Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.(3) […]§ 16 WEG Nutzungen und Kosten(1) […](2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.(3) […]


Urteil vom 16. September 2022 – V ZR 69/21

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 17.03.2023


VDIV: Mietrecht > Bei einer Modernisierungsmieterhöhung ist Instandhaltungsanteil abzuziehen

Werden alte Bauteile im Rahmen einer Modernisierung erneuert, ist bei der Modernisierungsmieterhöhung nach §§ 559 Abs. 2, 559b Abs. 1 BGB auch dann ein Anteil für Instandhaltung herauszurechnen, wenn die Bauteile noch funktionsfähig und die Instandhaltungsmaßnahmen noch nicht „fällig″ waren. Ein Abzug anteiliger ersparter Instandhaltungskosten ist dann geboten, wenn bereits ein nicht unerheblicher Teil ihrer Nutzungsdauer verstrichen war.

Der Fall

Die Vermieter einer Wohnung in Düsseldorf kündigten gegenüber einer Mieterin mit Schreiben vom 30.05.2015 eine Erhöhung der Miete nach Abschluss der Arbeiten von verschiedenen baulichen Veränderungen an. Die Nettokaltmiete betrug zuletzt 306,83 Euro. Die Baumaßnahmen wurden im Jahr 2016 ausgeführt. Diese umfassten unter anderem die Umstellung der Heizungsanlage von einer Beheizung mittels Gastherme auf Fernwärme, die Erneuerung der etwa 60 Jahre alten Eingangstür zur Wohnung der Mieterin, der ebenso alten Treppenhausfenster und Haustüren nebst Briefkastenanlage, die Neuverlegung von elektrischen Leitungen samt Erneuerung der Hausbeleuchtung einschließlich des erstmaligen Einbaus von Bewegungsmeldern sowie einer Gegensprechanlage, den Austausch der Fenster in der Wohnung der Mieterin sowie die erstmalige Wärmedämmung des Daches, der Fassade sowie der Kellerdecke.
Mit Schreiben vom 11.10.2016 erklärten die Vermieter die Erhöhung der Nettokaltmiete zum 01.01.2017 um 189,68 Euro und mit weiterem Schreiben vom 19.07.2017 zum 01.01.2017 um 241,55 Euro. Die Mieterin begehrte daraufhin die Feststellung, dass die Mieterhöhungen unberechtigt seien. Das Amtsgericht hatte der Feststellungsklage stattgegeben, da beide Erhöhungsverlangen bereits formell unwirksam seien. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der ersten Mieterhöhungserklärung die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt. Bezüglich der zweiten Erhöhung hat es festgestellt, dass diese Erklärung jedenfalls teilweise in formeller wie materieller Hinsicht wirksam und das Mieterhöhungsschreiben nur in Bezug auf die Umstellung der Heizung von Gas- auf Fernwärme unzureichend sei. Laut Begründung der Berufungsinstanz führe dies jedoch nicht zur Gesamtnichtigkeit des Erhöhungsschreibens nach § 139 BGB.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit dorthin zurückverwiesen. Die Vermieter hätten die Kosten für die Erneuerung der 60 Jahre alten Bauteile bei der Berechnung der Modernisierungsmieterhöhung nicht in voller Höhe ansetzen dürfen. Nach bestimmten Modernisierungsmaßnahmen kann gemäß § 559 Abs. 1 BGB ein Vermieter die jährliche Miete um 11 Prozent (bis 2018) beziehungsweise 8 Prozent (seit 2019) der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen. Kosten, die für die Instandhaltung dabei erforderlich gewesen wären, gehören nach § 559 Abs. 2 BGB nicht dazu.

Nach Auffassung des BGH hat die Berufungsinstanz im vorliegenden Fall verkannt, dass bei einer modernisierenden Erneuerung von Bauteilen oder Einrichtungen die dafür vom Vermieter aufgewendeten Kosten auch dann nicht vollständig auf den Mieter nach § 559 Abs. 1 BGB umgelegt werden können, wenn zum Zeitpunkt der Modernisierung zwar noch kein „fälliger“ Instandsetzungsbedarf bestand, aber bereits ein nicht unerheblicher Teil ihrer Nutzungsdauer verstrichen war und deshalb ein Abzug anteiliger ersparter Instandhaltungskosten gemäß § 559 Abs. 2 BGB geboten ist. Denn nach dem Regelungszweck dieser Normen verbietet es sich, in Fällen, in denen schon länger genutzte Bauteile durch solche von besserer Qualität und höherem Wohnkomfort ersetzt werden, die gesamten für diese Baumaßnahme aufgewendeten Kosten ungekürzt auf den Mieter umzulegen. Denn Sinn der Modernisierungsvorschriften ist es gerade nicht, dem Vermieter (teilweise) auch die Umlage von Instandhaltungskosten auf den Mieter zu ermöglichen. Den Vermieter trifft dabei grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Erhöhung der Miete nach Modernisierung gemäß §§ 559 Abs. 1 und 559 b Abs. 1 S. 1 BGB vollständig vorliegen. Der Anteil der Kosten, der auf die Modernisierung entfällt und umlagefähig ist und der nicht umlagefähige Instandhaltungsanteil sind durch Schätzung zu ermitteln, die sich an der üblichen Lebensdauer der erneuerten Einrichtung und dem bereits eingetretenen Abnutzungsgrad orientiert.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Juni 2020, Az. VIII ZR 81/19

Vorinstanzen: LG Düsseldorf, 6. März 2019, Az. 5 S 13/18 AG Düsseldorf, 6. Februar 2018, Az. 37 C 173/17


Quelle: VDIV –
Link zum Originalartikel

VDIV: Ortstermine mit Sachverständigen sind auch in Corona-Zeiten durchzuführen

Ist zur Beweisaufnahme ein Ortstermin mit einem Sachverständigen erforderlich, ist der Termin trotz Corona-bedingter Bedenken einer Partei durchzuführen. Die Einhaltung der üblichen Infektionsschutzregeln hat dabei der Sachverständige sicherzustellen, wie das LG Saarbrücken entschied.

Der Fall
Wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum und in einzelnen Sondereigentumseinheiten hatte eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens beantragt. Gegen die vom Gericht angeordnete umfangreiche bausachverständige Begutachtung hatte sich jedoch eine der Parteien aufgrund Corona-bedingter Bedenken ausgesprochen. In der Folge wandte sich der Sachverständige mit der Bitte um Anweisung an das Gericht, wie in der Sache weiter verfahren werden soll.

Die Entscheidung
Das LG Saarbrücken hat entschieden, dass der für die Beweiserhebung zwingend erforderliche Ortstermin stattzufinden hat. Die Furcht einer Partei vor einer Infektion mit dem Corona-Virus sei allein kein erheblicher Grund, keinen Ortstermin durchzuführen. Werden die allgemeinen Regeln des Infektionsschutzes eingehalten, könnten die Termine in dem vorliegenden selbstständigen Beweisverfahren durchgeführt werden, auch wenn an ihnen notwendigerweise fünf Personen oder mehr teilnehmen müssten. Dabei obliege es dem Sachverständigen, den notwendigen Infektionsschutz durch Anordnung der allgemeinen Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht oder Einhaltung des Abstandsgebots sicherzustellen.

Das Gericht führt zudem aus, dass – sofern es seitens einer Partei Bedenken gebe, derzeit einen Ortstermin durchzuführen – diese Partei angehalten sei, für den Eigenschutz zu sorgen oder sich vertreten zu lassen. Der Ortstermin zwinge die Partei nicht dazu, selbst bei den sachverständigen Feststellungen vor Ort anwesend zu sein – sie könne zu den gutachterlichen Feststellungen auch nach Vorliegen des Gutachtens Stellung nehmen.

Dem Landgericht sei bei dieser Entscheidung bewusst, dass die obigen theoretischen Ausführungen zum Infektionsschutz auf besondere praktische Schwierigkeiten stoßen. Da zum Teil konkrete Feststellungen in kleinen Räumen wie Bädern zu treffen sein werden, werde die Einhaltung der Abstandsregeln erschwert. Das Landgericht könne nur an die Parteien appellieren, durch besondere Disziplin einen größtmöglichen Infektionsschutz sicherzustellen.

LG Saarbrücken, Beschluss vom 12.05.2020, 15 OH 61/19


Quelle: VDIV –
Link zum Originalartikel

VDIV / BGH: Verwalter darf Beschluss über bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums bei einfacher Mehrheit verkünden

Gemäß § 22 Absatz 1 WEG kann ein Beschluss über eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums mit einfacher Mehrheit gefasst werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Fehlt die Zustimmung einzelner beeinträchtigter Wohnungseigentümer, ist ein dennoch verkündeter Beschluss anfechtbar, aber nicht nichtig. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 29. Mai 2020 (Az. V ZR 141/19) klargestellt.

Der Fall

Im konkreten Fall hatten die Wohnungseigentümer in einer Eigentümerversammlung im Jahr 2011 mit Stimmenmehrheit beschlossen, einer Teileigentümerin den Umbau ihres Einkaufzentrums im Hinblick auf die damit verbundenen baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums zu genehmigen. Der Geschäftsführer der Verwalterin verkündete den Beschluss. Ein Wohnungseigentümer, der gegen den Beschluss gestimmt hatte, reichte Anfechtungsklage ein. Nach einer übereinstimmenden Erledigungserklärung erlegte das Landgericht die Prozesskosten den beklagten Wohnungseigentümern auf, weil der Beschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit für ungültig erklärt worden wäre. Es habe nicht die Zustimmung aller Eigentümer vorgelegen, die durch die Baumaßnahmen beeinträchtigt werden.

Daraufhin verlangten einige der im Verfahren unterlegenen Wohnungseigentümer von der ehemaligen Verwalterin Ersatz der im Anfechtungsverfahren entstandenen Kosten. Sie argumentierten, der Geschäftsführer der Verwalterin hätte das Zustandekommen des Beschlusses nicht verkünden dürfen.

Die Entscheidung

Die BGH-Richter sahen das anders. Der Beschluss, mit dem die bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums genehmigt wurde, war zwar mangels Zustimmung aller beeinträchtigten Eigentümer rechtswidrig. Gleichwohl hat der Geschäftsführer der Verwalterin bei der Verkündung des Beschlusses nicht pflichtwidrig gehandelt.

Die Verantwortung für den Inhalt gefasster Beschlüsse liegt bei den Wohnungseigentümern. Sie können das Risiko der Anfechtung bewusst eingehen. Der Verwalter ist jedoch als Versammlungsleiter verpflichtet, der Eigentümerversammlung durch umfassende Informationen eine ordnungsgemäße Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu verschaffen. Dazu gehört die Pflicht, vor der Abstimmung über eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums nach § 22 Abs. 1 WEG auf ein bestehendes Zustimmungserfordernis hinzuweisen. Im strittigen Fall konnten die klagenden Eigentümer nicht nachweisen, dass der Verwalter seine Informations- und Hinweispflichten verletzt hatte. Entsprechend hat er nicht pflichtwidrig gehandelt, indem er den Beschluss über die bauliche Veränderung verkündet hat. 

Fazit für den Verwalter

In Vorbereitung einer Beschlussfassung über die bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums muss der Verwalter prüfen, ob und welche Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen müssen. Vor der Beschlussfassung muss er die Eigentümerversammlung über das Ergebnis seiner Prüfung informieren und auf Anfechtungsrisiken hinweisen.

Versäumt es der Verwalter, in gebotener Weise über ein bestehendes Zustimmungserfordernis zu informieren, so handelt er zwar pflichtwidrig im Sinne von § 280 Absatz 1 BGB. Nach Auffassung des BGH hat er einen Rechtsirrtum aber nur dann im Sinne von § 276 BGB zu vertreten, wenn seine Einschätzung offenkundig falsch ist.

Es mag jedoch durchaus vorkommen, dass ein Verwalter der Auffassung ist, dass die erforderliche Zustimmung einzelner Eigentümer fehlt, und daher Bedenken gegen die Verkündung des Beschlusses hat, für den sich eine einfache Mehrheit ausgesprochen hat. Dann kann er, statt das Zustandekommen des Beschlusses zu verkünden, eine Weisung der Wohnungseigentümer im Wege eines Geschäftsordnungsbeschlusses einholen.

Quelle: VDIV –
Link zum Originalartikel

Haufe.de: BGH entscheidet, dass nach unwirksamer Jahresabrechnung die Abrechnungsspitze nicht zurückverlangt werden kann

Wurde eine Jahresabrechnung ganz oder teilweise für ungültig erklärt, können die einzelnen Wohnungseigentümer die Erstellung einer korrigierten Abrechnung verlangen.
Eine Rückzahlung der Abrechnungsspitze steht ihnen hingegen nicht zu.
Hintergrund: Jahresabrechnung nach Zahlung für ungültig erklärt


Ein Wohnungseigentümer verlangt von der Wohnungseigentümergemeinschaft die Rückzahlung der Abrechnungsspitze aus der Jahresabrechnung für 2011.


In der Einzelabrechnung entfiel auf den Eigentümer eine Position "Dachsanierung" in Höhe von 2.240 Euro. Die Abrechnung endete mit einer Nachzahlung/Abrechnungsspitze von 1.434 Euro. Bezüglich der Position "Dachsanierung" erhob der Eigentümer Anfechtungsklage. Während des laufenden Anfechtungsverfahrens zahlte er die Abrechnungsspitze nebst Zinsen.


Im Februar 2014 erklärte das Amtsgericht den Beschluss über die Jahresabrechnung 2011 hinsichtlich der Position "Dachsanierung" für ungültig. Der Eigentümer verlangt von der Gemeinschaft nun die Rückzahlung der Abrechnungsspitze von 1.434 Euro und der gezahlten Zinsen.


Entscheidung: Nur Anspruch auf neue Abrechnung
Der Wohnungseigentümer kann von der Gemeinschaft keine Rückzahlung der Abrechnungsspitze verlangen. Die erfolgreiche Anfechung der Einzelabrechnungen hat zwar dazu geführt, dass der Beschluss von anfang an (ex tunc) als ungültig anzusehen ist. Davon sind zwangsläufig auch die Abrechnungsspitzen erfasst.
Das hat aber nicht zur Folge, dass einzelne Eigentümer gezahlte Abrechnungsspitzen unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern können. Die fehlerhafte Verteilung der Kosten für eine Einzelposition kann auf diese Weise nicht behoben werden. Wird eine Jahresabrechnung insgesamt oder teilweise für ungültig erklärt, haben die einzelnen Eigentümer vielmehr einen Anspruch gegen den Verwalter auf Erstellung einer neuen Jahresabrechnung für das betroffene Jahr. Von den übrigen Wohnungseigentümern können sie eine Beschlussfassung hierüber verlangen. Die Kosten für eine zunächst fehlerhaft verteilte Einzelposition müssen fehlerfrei verteilt werden, indem der darauf bezogene unselbständige Rechnungsposten verändert und die Abrechnungsspitze unter Einbeziehung der (Soll-)Vorauszahlungen sowie der bestandskräftigen Ausgabenpositionen neu errechnet wird. Das Ergebnis muss mit den auf die fehlerhafte Jahresabrechnung geleisteten Zahlungen beziehungsweise Erstattungen verrechnet werden. Weil es nur um die interne Verteilung einer feststehenden, bereits aufgewendeten Summe geht, ergeben sich teilweise Erstattungen und teilweise Nachforderungen. Aus Sicht der Gemeinschaft ist die geänderte Kostenverteilung daher kostenneutral.


Vorrang der Jahresabrechnung auch bei Eigentümerwechsel

Der Vorrang der Jahresabrechnung gilt auch, wenn zwischen der Zahlung und der erneuten Beschlussfassung ein Eigentumswechsel stattfindet. Mögliche Konsequenzen laufender Beschlussanfechtungsverfahren müssen Veräußerer und Erwerber eines Wohnungseigentums gegebenenfalls vertraglich regeln.


Keine Rückzahlung von Verzugszinsen trotz ungültiger Jahresabrechnung

Der klagende Eigentümer kann trotz der erfolgreichen Anfechtung der Jahresabrechnung keine Rückzahlung der auf die Abrechnungsspitze gezahlten Zinsen verlangen. Eine erfolgreiche Beschlussanfechtung wirkt zwar insofern auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung zurück, als unter den Wohnungseigentümern als Folge der Rechtskraft feststeht, dass der Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach. Gleichwohl besteht der Schuldgrund in der Zwischenzeit fort, und der eingetretene Verzug entfällt nicht rückwirkend, so dass gezahlte Verzugszinsen nicht zurückgefordert werden können. Das hat seine Rechtfertigung darin, dass die laufenden Vorauszahlungen ebenso wie die Abrechnungsspitze bezwecken, dass die für die Bewirtschaftung der Anlage notwendigen Mittel bereitstehen. Auch während einer laufenden Anfechtungsklage bestehen die Zahlungspflichten der Eigentümer fort und im Grundsatz dürfen die Eigentümer auch weder eine Aufrechnung erklären noch ein Zurückbehaltungsrecht ausüben.

(BGH, Urteil v. 10.7.2020, V ZR 178/19)

Quelle: Haufe.de – Online-Redaktion – Link zum Originalbericht

Haufe.de: Neuer Fußboden muss schallschutzkonform sein (BGH-Urteil)

Beim Austausch des Bodenbelags muss ein Wohnungseigentümer die Mindestanforderungen an den Schallschutz auch einhalten, wenn die Trittschalldämmung der Geschossdecke mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel schallschutzkonform wäre.

Hintergrund: Wohnungseigentümer tauscht Teppichboden gegen Fliesen

Die Eigentümer zweier übereinander gelegener Wohnungen streiten über Beeinträchtigungen durch Trittschall.

Die obere Wohnung befindet sich im Dachgeschoss des 1962 errichteten Hauses. Als das Dachgeschoss 1995 zu Wohnraum ausgebaut wurde, wurde dort Teppichboden verlegt. Im Jahr 2008 ließ der Eigentümer der Wohnung den Teppichboden durch Fliesen ersetzen. Seitdem überschreitet der in der darunter gelegenen Wohnung wahrzunehmende Trittschall die nach der einschlägigen DIN zulässigen Werte. Ein Gutachter stellte fest, dass die Trittschalldämmung der Geschossdecke zwischen beiden Wohnungen nicht den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspricht.

Der Eigentümer der unteren Wohnung verlangt, dass in der oberen Wohnung wieder Teppichboden oder ein Belag mit gleichwertiger Trittschalldämmung verlegt wird, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen bestimmten Schallschutzstandard herzustellen.

Entscheidung: Neuer Belag muss Schallschutz erfüllen

Die Klage hat mit dem Hilfsantrag Erfolg. Der Eigentümer der oberen Wohnung muss dafür sorgen, dass ein genauer bezeichneter Schallschutzstandard eingehalten wird.

Jeder Wohnungseigentümer darf von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen – hierzu gehört auch der Oberbodenbelag – nur so Gebrauch machen, dass keinem der anderen Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Das ergibt sich aus § 14 Nr. 1 WEG. Durch den Austausch des Bodenbelags ist dem Eigentümer der unteren Wohnung ein solcher Nachteil entstanden.

Mangel am Gemeinschaftseigentum schmälert Pflichten des Sondereigentümers nicht

Wenn ein vorhandener Bodenbelag ohne Eingriff in den Estrich und die Geschossdecke durch einen anderen ersetzt wird, ist für den Schallschutz die DIN 4109 maßgeblich. Diese Norm gilt auch dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche.

Der Schallschutz muss zwar in erster Linie durch Art und Aufbau von Geschossdecke und Estrich – also Bauteile des Gemeinschaftseigentums – gewährleistet werden. Dennoch muss ein Wohnungseigentümer beim Austausch des Bodenbelags in seinem Sondereigentum darauf achten, dass die Mindestanforderungen der DIN 4109 eingehalten werden. Das gilt jedenfalls, wenn der Eigentümer mit zumutbaren Maßnahmen den Schallschutz einhalten kann, etwa indem er einen schalldämpfenden Teppichboden verlegt oder einen zusätzlichen Bodenbelag anbringt.

Da es dem Eigentümer der oberen Wohnung hier möglich und zumutbar ist, die Mindestanforderungen an den Trittschallschutz einzuhalten, muss er entsprechende Maßnahmen ergreifen und kann sich nicht mit dem Hinweis entlasten, die Ursache liege im Gemeinschaftseigentum.

(BGH, Urteil v. 26.6.2020, V ZR 173/19)

Quelle: Haufe.de – Online-Redaktion – Link zum Originalbericht

Haufe.de: Winterdienst ist Werkvertrag (BGH-Urteil)

Erbringt ein beauftragtes Unternehmen den Räum- und Streudienst nur mangelhaft, kann der Auftraggeber die Vergütung mindern. Beim Vertrag über den Winterdienst handelt es sich um einen Werkvertrag, so dass ein Erfolg geschuldet ist.

Hintergrund: Winterdienst mangelhaft erbracht

Der Betreiber eines Winterdienstes verlangt vom Eigentümer eines Hausgrundstücks Restvergütung aufgrund eines „Reinigungsvertrages Winterdienst“.
Der Winterdienst hatte sich vertraglich verpflichtet, im Winter die vereinbarten Flächen gemäß den Pflichten des Straßenreinigungsgesetzes des Bundeslandes bzw. der kommunalen Satzung von Schnee freizuhalten und bei Glätte zu bestreuen.


Der Hauseigentümer beanstandet, dass der Räum- und Streudienst an einigen Tagen nicht vollständig erbracht worden sei und hat deshalb einen Teil der vereinbarten Vergütung einbehalten. Der Winterdienst verlangt Zahlung des einbehaltenen Betrages.
Amts- und Landgericht waren der Auffassung, der Eigentümer könne sich nicht auf eine mangelhafte Ausführung berufen und müsse die volle Vergütung zahlen, denn es handle sich um einen Dienstvertrag.

Entscheidung: Winterdienst muss ordentlich ausgeführt werden

Der Einwand des Eigentümers, der Winterdienst habe seine Leistung nicht vollständig erbracht, ist beachtlich. Sollte der Winterdienst seine Pflichten tatsächlich nicht ordnungsgemäß erfüllt haben, kann der Eigentümer die Vergütung kürzen, denn zwischen den Parteien besteht ein Werkvertrag.
Gegenstand eines Werkvertrags kann auch ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Vertragsgegenstand war die erfolgreiche Bekämpfung von Schnee- und Eisglätte. Der Werkerfolg besteht maßgeblich darin, dass die Gefahrenquelle beseitigt wird.
Das Werk ist nicht abnahmebedürftig, denn Sinn und Zweck des Winterdienstes ist es, dass der Unternehmer den Winterdienst versieht, ohne dass der Besteller jedes Einsatzergebnis billigen soll. Sofern der Unternehmer seine vertragliche Verpflichtung unvollständig erfüllt hat, ist das geschuldete Werk mangelhaft. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ist entbehrlich. Die Vergütung kann entsprechend gemindert werden.

(BGH, Urteil v. 6.6.2013, VII ZR 355/12)


Quelle: Haufe.de – Online-Redaktion –
Link zum Originalartikel

Haufe.de: Wohnungseigentümer dürfen einheitliche Rauchwarnmelder in der WEG beschließen (BGH-Urteil)

Beschließen die Wohnungseigentümer, die Wohnungen mit Rauchwarnmeldern auszustatten, müssen sie nicht solche Wohnungen ausnehmen, deren Eigentümer bereits selbst Rauchwarnmelder installiert haben.

Hintergrund: Beschluss über Rauchwarnmelder

In einer Eigentümerversammlung beschlossen die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft in Nordrhein-Westfalen, die Installation und die Wartung von Rauchwarnmeldern für sämtliche Wohnungen einer Fachfirma zu übertragen. Die Anschaffungskosten sollen aus der Instandhaltungsrücklage finanziert und die laufenden Kosten für die Wartung und Prüfung über die Jahresabrechnung nach Miteigentumsanteilen umgelegt werden.

Die Eigentümer mehrerer Wohnungen haben gegen den Beschluss Anfechtungsklage erhoben. Sie wenden ein, sie hätten ihre Wohnungen bereits mit Rauchwarnmeldern ausgestattet und möchten von der getroffenen Regelung ausgenommen werden.

Entscheidung: Einheitliche Ausstattung mit Rauchwarnmeldern zulässig

Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.

Die Wohnungseigentümer können den Einbau von Rauchwarnmeldern in allen Wohnungen beschließen. Die Beschlusskompetenz umfasst auch die Entscheidung über eine regelmäßige Kontrolle und Wartung. Nach § 49 Abs. 7 Satz 4 BauO NRW muss zwar der unmittelbare Besitzer und nicht der Eigentümer die Betriebsbereitschaft sicherstellen. Die Wohnungseigentümer können aber dennoch eine einheitliche Wartung und Kontrolle der neu eingebauten Rauchwarnmelder durch eine Fachfirma beschließen.

Der Beschluss entspricht auch ordnungsmäßiger Verwaltung. Indem der Einbau und die Wartung von Rauchwarnmeldern für das gesamte Gebäude „in eine Hand“ gelegt werden, wird ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet. Durch die einheitliche Anschaffung und die einheitliche Regelung der Wartung und Kontrolle kann die Gemeinschaft sicherstellen, dass die Rauchwarnmelder den einschlägigen DIN-Normen entsprechen und durch qualifiziertes Fachpersonal installiert und gewartet werden.

Eine solche Regelung „aus einer Hand“ minimiert zudem versicherungsrechtliche Risiken. Es entspricht regelmäßig billigem Ermessen, wenn die Wohnungseigentümer diesen Interessen den Vorzug geben gegenüber den Interessen solcher Eigentümer, die in ihren Wohnungen schon eigene Rauchwarnmelder eingebaut haben und deshalb von einer einheitlichen Regelung ausgenommen werden möchten.

Individuelle Lösungen führen insbesondere in größeren WEGs zur Unübersichtlichkeit und zu einem erheblichen Mehraufwand für den Verwalter bei der Prüfung, ob im jeweiligen Einzelfall die Einbau- und Wartungspflicht erfüllt und der Nachweis darüber geführt ist. Wie ein solcher Nachweis aussehen soll, ist zudem unklar. Das kann zu Lücken in der Gebäudesicherheit führen. Aber auch in kleineren Gemeinschaften ist das den Wohnungseigentümern eingeräumte Ermessen nicht überschritten, wenn die Gemeinschaft den praktikabelsten und sichersten Weg zur Erfüllung der Pflicht zum Einbau und zur Wartung von Rauchwarnmeldern wählt. Demgegenüber ist die finanzielle Mehrbelastung von Wohnungseigentümern, der ihre Wohnung schon mit Rauchwarnmeldern ausgestattet haben, gering.

(BGH, Urteil v. 7.12.2018, V ZR 273/17)

BGH zum Mietrecht: Einheitliche Ausstattung hat Vorrang
Für das Mietrecht hatte der BGH bereits zuvor klargestellt, dass eine einheitliche Ausstattung des gesamten Gebäudes ein höheres Maß an Sicherheit darstellt als eine Ausstattung durch einzelne Mieter. Daher müssen Mieter die Installation von Rauchwarnmeldern auch dann dulden, wenn sie bereits eigene Geräte installiert haben.

Quelle: Haufe.de – Online-Redaktion –
Link zum Originalartikel

Haufe.de: Entziehung des Wohnungseigentums bei Bruchteilseigentum

Wohnungseigentum in Bruchteilseigentum kann insgesamt entzogen werden, wenn auch nur einer der Miteigentümer den Hausfrieden nachhaltig stört. Der nicht störende Miteigentümer kann die Entziehung aber abwenden, indem er einige – sehr strenge – Anforderungen erfüllt.

Hintergrund: Ein Bruchteilseigentümer stört den Hausfrieden

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft fiel ein Eigentümer wiederholt durch massive Beschimpfungen anderer Eigentümer und Körperverletzungen auf. Er ist zur Hälfte Miteigentümer einer Wohnung. Die andere Hälfte steht im Eigentum seiner Ehefrau. Nachdem Abmahnungen erfolglos geblieben waren, wurde in einer
Eigentümerversammlung beschlossen, gegen beide Miteigentümer der Wohnung ein gerichtliches Eigentumsentziehungsverfahren nach § 18 WEG einzuleiten und sie aufzufordern, ihr Wohnungseigentum zu veräußern.

Auch nach diesem Beschluss änderte der Miteigentümer sein auffälliges Verhalten nicht. Das Amtsgericht verurteilte schließlich beide Miteigentümer der Wohnung zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums. Bezüglich des störenden Miteigentümers ist das Urteil rechtskräftig. Der BGH hatte noch darüber zu entscheiden, ob auch die zur Hälfte an der Wohnung beteiligte Ehefrau, die sich selbst keine Störungen hat zuschulden kommen lassen, zu Veräußerung ihres Miteigentumsanteils an der Wohnung verpflichtet ist.

Entscheidung: Alle Bruchteilseigentümer müssen veräußern

Auch die Ehefrau des störenden Eigentümers ist zur Veräußerung ihres Miteigentumsanteils verpflichtet, obwohl sie selbst keinen Entziehungstatbestand verwirklicht hat.

Wenn ein Wohnungseigentum mehreren Personen – anders als hier – zur gesamten Hand zusteht, reicht das Fehlverhalten eines Eigentümers nach einhelliger Auffassung aus, um alle Eigentümer zur Veräußerung zu verpflichten.

Aber auch Wohnungseigentum in Bruchteilseigentum – wie im vorliegenden Fall – kann insgesamt entzogen werden, wenn auch nur einer der Miteigentümer einen Entziehungstatbestand nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WEG verwirklicht. Der nicht störende Miteigentümer ist aber berechtigt, die Wirkungen des Entziehungsurteils bis zur Erteilung des Zuschlags dadurch abzuwenden, dass er den Miteigentumsanteil des störenden Miteigentümers selbst erwirbt und den störenden Miteigentümer dauerhaft und einschränkungslos aus der Wohnanlage entfernt. Außerdem muss der der Eigentümergemeinschaft alle Kosten ersetzen, die dieser durch die Führung des Entziehungsprozesses und die Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens zur Durchsetzung des Entziehungsanspruchs entstanden sind.

Die Entziehungsklage nach §§ 18 und 19 WEG soll den Wohnungseigentümern eine effektive Möglichkeit geben, den Gemeinschaftsfrieden wiederherzustellen, wenn er durch das Verhalten eines Wohnungseigentümers nachhaltig gestört ist. Die Eigentümer sollen in der Lage sein, einen "Störenfried" aus der Gemeinschaft zu entfernen.
Dieser Zweck lässt sich nicht effizient erreichen, wenn der Anspruch auf Entziehung des Wohnungseigentums auf den Miteigentumsanteil des Störers beschränkt ist. Die Zwangsversteigerung des Miteigentumsanteils wird nur selten gelingen, weil das Interesse von Bietern nur an einem Anteil an einer Wohnung regelmäßig sehr gering wäre. Und wenn es Gebote auf einen Miteigentumsanteil gäbe, wäre zu erwarten, dass diese oft durch die Aussicht motiviert sind, nach der Ersteigerung des Miteigentumsanteils die Teilungsversteigerung der gesamten Wohnung betreiben zu können. In diesem Fall würde eine mit einer Beschränkung des Entziehungsanspruchs auf den Miteigentumsanteil des Störers beabsichtigte Schonung des nicht störenden Miteigentümers im Ergebnis nicht erreicht, weil das Wohnungseigentum am Ende doch insgesamt versteigert würde. Es würde lediglich die Durchsetzung des Entziehungsanspruchs deutlich verzögert und hierdurch dessen eigentlicher Zweck, nämlich die rasche Entfernung des Störers und damit die rasche Wiederherstellung des Gemeinschaftsfriedens, erheblich gefährdet.

Auch denn der Ersteher des Miteigentumsanteils keine Teilungsversteigerung beabsichtigte, ergäbe sich nichts anderes. Dann wäre der Störer zwar nicht mehr Miteigentümer der Wohnung. Der Entziehungsanspruch zielt jedoch nicht darauf ab, die Eigentumsverhältnisse formal zu ändern, sondern darauf, den Störer aus der Anlage zu entfernen. Wenn der Entziehungsanspruch auf den Miteigentumsanteil des Störers beschränkt bliebe, wäre dieses Ziel mit der Zwangsversteigerung des Miteigentumsanteils noch nicht erreicht. Dazu käme es erst, wenn der Ersteher und der verbliebene Miteigentümer den Störer dauerhaft und ohne Einschränkung aus der Wohnung entfernen.
Der Ersteher müsste dies nach der Rechtsprechung des BGH zwar durchsetzen, der Gemeinschaftsfrieden soll nach dem Willen des Gesetzgebers aber schon unmittelbar mit der Durchsetzung des Entziehungsanspruchs wiederhergestellt werden. Dies wäre nicht möglich, wenn der Entziehungsanspruch auf einen Miteigentumsanteil beschränkt wäre. Vielmehr muss das Wohnungseigentum insgesamt entzogen werden können, wenn auch nur einer der Miteigentümer einen Entziehungstatbestand verwirklicht.

Dem schützenswerten Interesse des nicht störenden Miteigentümers am Erhalt seines Miteigentumsanteils kann dadurch Rechnung getragen werden, dass ihm die Befugnis eingeräumt wird, die Wirkung des auch gegen ihn ergehenden Entziehungsurteils in entsprechender Anwendung von § 19 Abs. 2 WEG abzuwenden. Hierfür muss er den Grund für die Entziehung vollständig beseitigen, indem er den Miteigentumsanteil des Störers erwirbt und den Störer dauerhaft aus der Anlage entfernt. Dies erfordert ein uneingeschränktes Hausverbot gegen den Störer sowie die Gewähr, dass dieses durchgesetzt wird. Ferner muss er der Gemeinschaft alle Kosten ersetzen, die durch den Entziehungsprozess und ein anschließendes Zwangsversteigerungsverfahren entstanden sind.

(BGH, Urteil v. 14.9.2018, V ZR 138/17)

Quelle: Haufe.de – Online-Redaktion –
Link zum Originalartikel

BGH: Sanierungspflichten in einem in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilten Altbau

Der Bundesgerichtshof hat heute über einen Rechtsstreit entschieden, in dem Wohnungs- und Teileigentümer darüber streiten, ob Feuchtigkeitsschäden im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums saniert werden müssen.


Sachverhalt:


Die Parteien bilden eine Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. Das im Jahr 1890 errichtete Gebäude wurde im Jahr 1986 in zwölf Wohnungen und drei Teileigentumseinheiten aufgeteilt. Die Kläger sind die Eigentümer der drei Teileigentumseinheiten, die sich im Souterrain des Gebäudes befinden; sie werden in der Teilungserklärung als "Laden" bzw. "Büro" bezeichnet und derzeit als Naturheilpraxis, Künstleragentur und Kommunikationsagentur genutzt. Weil die Wände dieser Einheiten Durchfeuchtungen aufweisen, holte die Wohnungseigentümergemeinschaft im Jahr 2010 ein Gutachten eines Ingenieurbüros und im Jahr 2011 ein Gutachten eines Architekten ein. Beide Gutachten ergaben dieselben Schadensursachen, nämlich eine fehlende außenseitige Sockelabdichtung, eine fehlende Horizontalsperre und im Mauerwerk eingelagerte Salze. In der Eigentümerversammlung vom 31. März 2015 wurde der zu TOP 2a gestellte Antrag der Kläger auf Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden abgelehnt. Auch der weitere Antrag zu TOP 2b, wonach die Instandsetzung durch Einbringung einer Horizontalsperre im Mauerwerk sowie Aufbringung einer Vertikalsperre auf den erdberührten Außenwänden erfolgen soll, fand keine Mehrheit. Zu TOP 2f beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.


Bisheriger Prozessverlauf:

Gegen die genannten Beschlüsse zu TOP 2a, 2b und 2f wenden sich die Kläger mit der Anfechtungsklage. Zugleich haben sie beantragt, die Beklagten zu verurteilen, den Beschlussanträgen zu TOP 2a und 2b zuzustimmen bzw. eine gerichtliche Beschlussersetzung vorzunehmen. Das Amtsgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat ihr das Landgericht stattgegeben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten erreichen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat eine Sanierungspflicht der Wohnungseigentümer angenommen und die Revision deshalb zurückgewiesen.
Der zu TOP 2a beantragte Grundlagenbeschluss über die Sanierung der Feuchtigkeitsschäden musste durch das Gericht ersetzt werden, weil die Kläger einen Anspruch auf die Sanierung des Gemeinschaftseigentums haben. Grundsätzlich muss das gemeinschaftliche Eigentum jedenfalls in einem solchen baulichen Zustand sein, dass das Sondereigentum zu dem in der Teilungserklärung vorgesehenen Zweck genutzt werden kann. Weist das Gemeinschaftseigentum gravierende bauliche Mängel auf, die die zweckentsprechende Nutzung von Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen, ist eine sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich, und einzelne Wohnungseigentümer können die Sanierung gemäß § 21 Abs. 4 WEG verlangen. Um solche Mängel geht es hier; die Innen- und Außenwände der Teileigentumseinheiten sind massiv durchfeuchtet. Die Ursache liegt in einer fehlenden Abdichtung des Gebäudes und damit im Gemeinschaftseigentum; daher ist die Sanierung (ebenso wie beispielsweise bei Mängeln des Dachs) Aufgabe aller Wohnungseigentümer. Da die Teileigentumseinheiten nach der Teilungserklärung als Büro bzw. Laden genutzt werden dürfen, müssen sie ebenso wie Wohnungen grundsätzlich dazu geeignet sein, als Aufenthaltsraum für Menschen zu dienen. Massive Durchfeuchtungen müssen die Kläger deshalb nicht hinnehmen, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten sein sollte. Entgegen der Auffassung der Revision wird der Sanierungsanspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich um Souterraineinheiten in einem Altbau handelt.

Die Sanierung ist den Beklagten auch zuzumuten. Ist der Erhalt der Gebäudesubstanz gefährdet, muss ohnehin saniert werden. Ist die Gebäudesubstanz nicht gefährdet, ließe sich die Sanierung allenfalls durch eine Änderung der Teilungserklärung vermeiden, indem der Nutzungszweck der betroffenen Einheiten geändert wird, hier etwa durch eine Änderung dahingehend, dass die Teileigentumseinheiten (nur) als Keller dienen. Ob Durchfeuchtungen einer als Keller dienenden Teileigentumseinheit unter Umständen hingenommen werden müssten, und ob unverhältnismäßige Kosten der Instandsetzung dazu führen können, dass die übrigen Wohnungseigentümer eine Anpassung der in der Teilungserklärung vorgesehenen Zweckbestimmung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG verlangen können, hat der Senat offengelassen. Denn abgesehen davon, dass ein solcher Anpassungsanspruch nicht Gegenstand des Verfahrens ist, handelte es sich um einen äußerst gravierenden Eingriff in das Eigentumsrecht der betroffenen Eigentümer, die ihre Einheiten nicht mehr - wie zuvor – als Laden oder Büro nutzen könnten. Deshalb kann eine solche Anpassung der Teilungserklärung nur als ultima ratio in Ausnahmefällen und gegen Ausgleichszahlungen in Betracht gezogen werden. Von einem solchen Ausnahmefall kann hier nicht ausgegangen werden. Nach den Feststellungen des Landgerichts lässt sich die Feuchtigkeit beheben. Die von den Klägern mit 300.000 € bezifferten Sanierungskosten sind zwar für sich genommen hoch. Es ist aber nicht ersichtlich, dass sie völlig außer Verhältnis zu dem erzielbaren Nutzen für die Gebäudesubstanz im Allgemeinen und die drei Einheiten der Kläger im Besonderen stehen. Eine "Opfergrenze" für einzelne Wohnungseigentümer ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin nicht anzuerkennen.
Die gerichtliche Beschlussersetzung musste auch im Hinblick auf den Beschlussantrag zu TOP 2b erfolgen. Auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens geht das Landgericht rechtsfehlerfrei davon aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nur das in dem Beschlussantrag vorgesehene Sanierungsverfahren ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach; die näheren Details bleiben einer fachgerechten Sanierungsplanung vorbehalten.

Schließlich ist auch den Beschlussanfechtungsklagen zu Recht stattgegeben worden. Den Wohnungseigentümern lagen nämlich schon im Zeitpunkt der Eigentümerversammlung zwei Privatgutachten vor, die die Schadensursache übereinstimmend benannt und Sanierungsmöglichkeiten aufgezeigt hatten. Die Schlussfolgerung des Landgerichts, es habe nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen, die Sanierungsanträge abzulehnen (TOP 2a und 2b) und stattdessen die Einholung eines weiteren Gutachtens zu beschließen (TOP 2f), lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Jedenfalls widersprach es ordnungsmäßiger Verwaltung, die erforderliche Sanierung mit den angefochtenen Beschlüssen weiter zu verzögern.


Vorinstanzen:

AG Hamburg – Urteil vom 7. Dezember 2015 – 11 C 22/15
LG Hamburg – Urteil vom 28. Juni 2017 – 318 S 9/16


Die maßgeblichen Vorschriften lauten:


§ 21 WEG:
Abs. 4: "Jeder Wohnungseigentümer kann eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht."
Abs. 5: "Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere:
1. (…)
2.die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (…)

Urteil vom 4. Mai 2018 - V ZR 203/17

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 04.05.2018

BGH: Kündigungsbeschränkung gemäß § 577a Abs. 1a Satz 1 BGB erfordert keine (beabsichtigte) Wohnungsumwandlung

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit den Voraussetzungen der in § 577a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 BGB vorgesehenen Kündigungsbeschränkung (Sperrfrist) beim Erwerb vermieteten Wohnraums durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts beschäftigt.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Der inzwischen über 70 Jahre alte Beklagte zu 1 hat im Jahr 1981 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Vierzimmer-Altbauwohnung in Frankfurt am Main (Westend) gemietet, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seiner Tochter bewohnt. Die Nettomiete für die 160 qm große Wohnung beläuft sich zwischenzeitlich auf 856,25 € monatlich.
Die Klägerin ist eine aus drei Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Januar 2015 als Eigentümerin und Vermieterin in den Mietvertrag eingetreten ist. Mit Schreiben vom Mai 2015 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und begründete dies mit dem Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter. Dieser habe sich von seiner Ehefrau getrennt und benötige als erfolgreicher Immobilienunternehmer repräsentative Wohnräume in entsprechender Wohnlage in der Nähe eines seiner Büros. Die in dem Kündigungsschreiben im Einzelnen beschriebenen leerstehenden Wohnungen in den zahlreichen Liegenschaften in Frankfurt am Main und Umgebung, an denen dieser als Gesellschafter beteiligt sei, kämen insoweit allesamt nicht in Betracht.
Der Beklagte zu 1 widersprach der Kündigung und verlangte die Fortsetzung des Mietverhältnisses. Er machte Härtegründe für sich und seine Familie geltend und zog den von der Klägerin geltend gemachten Eigenbedarf ihres Gesellschafters in Zweifel.
Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage blieb in allen Instanzen schon deshalb ohne Erfolg, weil die Klägerin die Kündigungssperrfrist des § 577a Abs. 1 BGB nicht eingehalten hatte.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Kündigungsbeschränkung nach § 577a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 BGB nicht erfordert, dass über die im Tatbestand dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen - hier die Veräußerung des vermieteten Wohnraums an eine Personengesellschaft nach Überlassung an den Mieter - hinaus zumindest die Absicht des Erwerbers besteht, den vermieteten Wohnraum in Wohnungseigentum umzuwandeln.

Vorliegend wäre es der Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwar an sich möglich, sich im Anschluss an ihren Eintritt in den Mietvertrag in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf einen Eigenbedarf ihres Gesellschafters zu berufen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 14. Dezember 2016 – VIII ZR 232/15; Pressemitteilung Nr. 225/2016). Ob im Streitfall ein solcher Eigenbedarf allerdings - was die Beklagten in Abrede gestellt haben – überhaupt in Betracht kam, hat das Berufungsgericht offen lassen können, da die von der Klägerin im Mai 2015 ausgesprochene Kündigung bereits wegen Nichtbeachtung der Sperrfrist nach § 577a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB unwirksam war. Denn trotz der Überschrift des § 577a BGB ("Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung") gilt der darin vorgesehene Schutz des Mieters nach dem Willen des Gesetzgebers beim Erwerb vermieteten Wohnraums durch Personengesellschaften unabhängig davon, ob Wohnungseigentum begründet wird oder werden soll.

Mit der Einführung des § 577a Abs. 1a BGB war zwar insbesondere beabsichtigt, die faktische Umgehung des in § 577a Abs. 1 BGB vorgesehenen Kündigungsschutzes bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nach dem sogenannten "Münchener Modell" zu unterbinden. Bei diesem verzichtet eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Miteigentümergemeinschaft nach dem Erwerb des mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks zunächst auf die Begründung von Wohnungseigentum und den anschließenden Verkauf von Eigentumswohnungen an Interessenten. Stattdessen kündigt sie den betreffenden Mietwohnraum wegen Eigenbedarfs ihrer Gesellschafter oder der Miteigentümer und umgeht so die Kündigungssperre des § 577a Abs. 1 BGB. Mit der eingefügten Neuregelung des § 577a Abs. 1a BGB wollte der Gesetzgeber jedoch nicht allein Umgehungen der Sperrfrist nach dem "Münchener Modell" entgegenwirken, sondern ausdrücklich auch etwaigen neuen Umgehungstatbeständen vorbeugen. Deshalb hat er für ein Eingreifen der Sperrfrist jede Veräußerung eines mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder an mehrere Erwerber ausreichen lassen, da sich nach seiner Einschätzung bereits hierdurch das Verdrängungsrisiko für den Mieter erhöht und dieser insoweit eines Schutzes bedarf.

§ 577a Abs. 1a BGB verstößt auch nicht gegen höherrangiges Verfassungsrecht. Bei ihrer gegenteiligen Auffassung übersieht die Klägerin, dass neben der Rechtsposition des Vermieters auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) geschützt ist. Den insoweit zum Schutz des Mieters erforderlichen Eingriff in die Eigentumsrechte des Vermieters hat der Gesetzgeber mit der Kündigungssperrfrist in § 577a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 BGB dabei auf das erforderliche Maß beschränkt und etwa davon abgesehen, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich zu verwehren, sich entsprechend § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines Gesellschafters zu berufen. Ebenso wenig verletzt es das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG), dass nach § 577a Abs. 1a Satz 1 BGB nur der Erwerb durch eine Personengesellschaft oder -mehrheit, nicht aber durch eine Einzelperson die Sperrfrist auslöst. Denn es liegt auf der Hand, dass sich mit jeder weiteren Person, deren Eigenbedarf dem Mieter gegenüber geltend gemacht werden kann, die Wahrscheinlichkeit für den Mieter erhöht, auch tatsächlich wegen Eigenbedarfs in Anspruch genommen zu werden.

Nach alledem hat der Senat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. […]
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
[…]
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt […]

§ 577a BGB Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung

(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen.
(1a) 1Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter
1. an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist […]


Vorinstanzen:

Amtsgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 8. September 2016 - 33 C 1201/16 (57)
Landgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 11. April 2017 - 2-11 S 292/16

Urteil vom 21. März 2018 - VIII ZR 104/17

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 21.03.2018

BGH: Trittschallschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Der Bundesgerichtshof hat heute über einen Rechtsstreit entschieden, in dem eine Wohnungseigentümerin von den benachbarten Wohnungseigentümern verlangt hat, dass diese nach einer Modernisierung ihres Badezimmers den Schallschutz verbessern.

Sachverhalt:

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Anlage wurde im Jahr 1990 errichtet. Die Wohnung der Beklagten liegt über der der Klägerin. Bei einer Modernisierung ihres Badezimmers im Jahr 2012 ließen die Beklagten den Estrich vollständig entfernen und eine Fußbodenheizung einbauen. Ferner wurden der Fliesenbelag sowie sämtliche Sanitärobjekte erneuert und eine Steigleitung unter Putz verlegt. Gestützt auf die Behauptung, der Schallschutz habe sich durch die Baumaßnahme verschlechtert, verlangt die Klägerin, dass die Beklagten bestimmte Schallschutzmaßnahmen in näher bezeichneter Ausführung vornehmen; hilfsweise will sie der Sache nach erreichen, dass die Beklagten ein Schallschutzniveau herstellen, das dem technischen Stand zur Zeit der Sanierung im Jahr 2012 entspricht (Trittschallschutz gemäß Schallschutzstufe III der Richtlinie VDI 4100:2012-10: <=37 dB, hilfsweise Schallschutzstufe II der genannten Richtlinie: <= 44 dB).

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage nur insoweit stattgegeben, als die Beklagten eine Trittschalldämmung und einen schwimmenden Estrich nach näheren Vorgaben wiederherstellen sollen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil geändert und die Beklagten verurteilt, durch geeignete bauliche Maßnahmen im Bereich des Badezimmers eine Trittschalldämmung dergestalt zu schaffen, dass der Trittschall 46 dB (gemäß Beiblatt 2 zur DIN 4109 aus dem Jahr 1989) nicht übersteigt. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre weitergehenden Hilfsanträge. Da die Beklagten die Verurteilung hinnehmen, war im Wesentlichen darüber zu entscheiden, ob die Klägerin verlangen kann, dass ein besserer Trittschallschutz als bislang zugesprochen (<=46 dB) hergestellt wird.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision zurückgewiesen, weil das Landgericht weitergehende Ansprüche der Klägerin gemäß § 15 Abs. 3 WEG ohne Rechtsfehler verneint hat.

Für das Revisionsverfahren war davon auszugehen, dass der Estrich der Dämmung und Isolierung diente und daher Teil des Gemeinschaftseigentums war. Infolgedessen haben die Beklagten ohne Zustimmung der Klägerin eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG vorgenommen, indem sie den Estrich entfernt und den Bodenaufbau sodann erneuert haben. Welche Pflichten bei einer solchen Maßnahme hinsichtlich des Schallschutzes zu beachten sind, ergibt sich aus § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Entscheidend war daher, ob der Klägerin ein solcher Nachteil entstanden ist. Insoweit hatte der Bundesgerichtshof bereits in der Vergangenheit geklärt, dass sich der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz grundsätzlich nach den Mindestanforderungen der DIN 4109 in der zur Zeit der Gebäudeerrichtung geltenden Ausgabe richtet, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt wird (etwa Parkett statt Teppichboden), also das Sonder- und nicht das Gemeinschaftseigentum verändert wird.

Ausdrücklich offen geblieben war bislang, ob dieselben Maßstäbe gelten, wenn bei der Erneuerung des Bodenbelags auch (wie hier) in den Estrich oder in die Geschossdecke eingegriffen wird. Zu trennen sind dabei zwei Fragen: nämlich erstens, ob für den Schallschutz die im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes oder die im Zeitpunkt der Baumaßnahme geltenden technischen Vorgaben heranzuziehen sind, und zweitens, welchen konkreten technischen Vorgaben das zu gewährende Schallschutzniveau zu entnehmen ist.

Zu der ersten Frage hat der Bundesgerichtshof nun entschieden, dass es sich nach dem Gewicht des Eingriffs in die Gebäudesubstanz richtet, ob die im Zeitpunkt der Baumaßnahme geltenden technischen Anforderungen an den Schallschutz einschlägig sind. Allein aus dem Umstand, dass bei Renovierungsarbeiten in das gemeinschaftliche Eigentum eingegriffen wird, ergibt sich kein überzeugender Grund dafür, dass die im Zeitpunkt der Maßnahme anerkannten Schallschutzwerte maßgeblich sein sollen. Ein Wohnungseigentümer, der Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum vornimmt, ist im Grundsatz zwar zu dessen Wiederherstellung, aber nicht zu einer "Ertüchtigung" verpflichtet. Wird allerdings – etwa durch einen nachträglichen Dachgeschossausbau - in erheblichen Umfang in die Gebäudesubstanz eingegriffen, entsteht bei den übrigen Wohnungseigentümern die berechtigte Erwartung, dass bei dem Umbau des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums insgesamt die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte beachtet werden. Dagegen kann bei Sanierungsmaßnahmen, die der üblichen Instandsetzung oder (ggf. zugleich) der Modernisierung des Sondereigentums dienen, im Grundsatz ein verbessertes Schallschutzniveau nicht beansprucht werden, so dass unverändert die bei Errichtung des Gebäudes geltenden technischen Standards maßgeblich sind. Um eine solche typische Sanierungsmaßnahme handelt es sich in aller Regel auch dann, wenn – wie hier - bei der Sanierung eines vorhandenen Badezimmers in den Estrich eingegriffen wird.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Schallschutzwerte ist danach derjenige der Gebäudeerrichtung. Die oben angesprochene zweite Frage nach dem konkret einzuhaltenden Schallschutzniveau (auf dem technischen Stand bei Gebäudeerrichtung) stellt sich in diesem Verfahren nicht mehr, weil die Verurteilung der Beklagten zur Einhaltung der (über die Mindeststandards hinausgehenden) in Beiblatt 2 zur DIN 4109 aus dem Jahr 1989 vorgeschlagenen erhöhten Schallschutzwerte rechtskräftig geworden ist. Ein darüber hinausgehendes Schallschutzniveau auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 4100 aus dem Jahr 2012 kann die Klägerin jedenfalls nicht beanspruchen.

Vorinstanzen:

AG Hamburg-Harburg – Urteil vom 9. Oktober 2015 – 643 C 205/13 WEG
LG Hamburg – Urteil vom 26. Oktober 2016 – 318 S 10/16 WEG

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 14 Pflichten des Wohnungseigentümers

Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet:
1. die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst; (….)

§ 15 WEG Gebrauchsregelung

(3) Jeder Wohnungseigentümer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der (…) dem Gesetz (…) entspricht.

§ 22 Besondere Aufwendungen, Wiederaufbau

(1) Bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, können beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Die Zustimmung ist nicht erforderlich, soweit die Rechte eines Wohnungseigentümers nicht in der in Satz 1 bezeichneten Weise beeinträchtigt werden.


Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 16.03.2018

BGH: Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen Beschädigung der Mietwohnung erfordert keine vorherige Fristsetzung zur Schadensbeseitigung

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, ob ein Vermieter von seinem Mieter Ersatz für Schäden an der Mietsache nur verlangen kann, wenn er ihm zuvor eine angemessene Frist zur Schadensbeseitigung gesetzt hat.


Sachverhalt und Prozessverlauf:


Der Beklagte war für mehr als sieben Jahre Mieter einer Wohnung des Klägers in Hohenroth. Nach einvernehmlicher Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Wohnung verlangte der Kläger vom Beklagten Schadensersatz, weil dieser insbesondere wegen Verletzung von Obhuts- und Sorgfaltspflichten für verschiedene Beschädigungen der Wohnung verantwortlich sei. Eine Frist zu Beseitigung der betreffenden Schäden hatte er dem Beklagten zuvor nicht gesetzt.
Die auf diesen Schadensersatz gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen in Höhe von 5.171 Euro nebst Zinsen Erfolg. Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts schuldet der Beklagte dem Kläger diesen Schadensersatz wegen eines von dem Beklagten zu verantwortenden Schimmelbefalls in mehreren Räumen, wegen mangelnder Pflege der Badezimmerarmaturen und eines Lackschadens an einem Heizkörper sowie wegen eines schadensbedingt fünfmonatigen Mietausfalls. Dabei ist das Berufungsgericht nicht der Auffassung des Beklagten gefolgt, wonach Schadensersatz nur nach dem erfolglosen Ablauf einer ihm vorliegend nicht gesetzten Frist zur Schadensbeseitigung hätte verlangt werden können. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.


Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein vom Vermieter wegen Beschädigung der Mietsache geltend gemachter Schadensersatzanspruch keine vorherige Fristsetzung zur Schadensbeseitigung gegenüber dem Mieter voraussetzt.
Denn das in § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB als Anspruchsvoraussetzung vorgesehene Fristsetzungserfordernis gilt nur für die Nicht- oder Schlechterfüllung von Leistungspflichten (§ 241 Abs. 1 BGB) durch den Schuldner. In diesen Fällen muss der Gläubiger dem Schuldner grundsätzlich zunächst eine weitere Gelegenheit zur Erfüllung seiner Leistungspflicht geben, bevor er (statt der geschuldeten Leistung) Schadensersatz verlangen kann. Als eine derartige Leistungspflicht hat der Bundesgerichtshof etwa die vom Mieter wirksam aus dem Pflichtenkreis des Vermieters übernommene Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen angesehen.

Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch entsprechenden Zustand zu halten und insbesondere die Räume aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln, um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB). Deren Verletzung begründet einen Anspruch des Geschädigten auf Schadensersatz (neben der Leistung) bereits bei Vorliegen der in § 280 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen. Daher kann ein Vermieter bei Beschädigungen der Mietsache vom Mieter gemäß § 249 BGB nach seiner Wahl statt einer Schadensbeseitigung auch sofort Geldersatz verlangen, ohne diesem zuvor eine Frist zur Schadensbehebung gesetzt zu haben. Dies gilt - entgegen einer im mietrechtlichen Schrifttum teilweise vorgenommenen Unterscheidung - auch unabhängig davon, ob ein Vermieter einen entsprechenden Schadensersatz bereits vor oder (wie hier) erst nach der in § 546 Abs. 1 BGB geregelten Rückgabe der Mietsache geltend macht. Denn § 546 Abs. 1 BGB trifft weder eine Regelung darüber, in welchem Zustand die Mietsache zurückzugeben ist, noch dazu, unter welchen Voraussetzungen Schadensersatz zu leisten ist. Der Bundesgerichtshof hat deshalb die Revision des Beklagten zurückgewiesen.


Die maßgeblichen Vorschriften lauten:


§ 241 BGB Pflichten aus dem Schuldverhältnis

(1) 1Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. […]
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.


§ 249 BGB Art und Umfang des Schadensersatzes

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) 1Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. […]


§ 280 BGB Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) 1Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. […]
[…]
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.


§ 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung

(1) 1Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. […]


§ 546 Rückgabepflicht des Mieters

(1) Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.
[…]


Vorinstanzen:

Amtsgericht Bad Neustadt a.d. Saale - Urteil vom 6. Oktober 2016 - 1 C 471/12
Landgericht Schweinfurt - Urteil vom 30. Juni 2017 - 22 S 2/17

Urteil vom 28. Februar 2018 - VIII ZR 157/17

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 28.02.2018

Bundesgerichtshof zur Räum- und Streupflicht des Vermieters

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Die Beklagte ist Eigentümerin eines Anwesens in der Innenstadt von München, in welchem eine Wohnung an die frühere Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau des Klägers vermietet war. Zwischen den Parteien steht nicht in Streit, dass die Räum- und Streupflicht (Winterdienst) für den Gehweg vor dem Grundstück der Beklagten grundsätzlich bei der Stadt München, der Streithelferin der Beklagten, liegt.

Am 17. Januar 2010 stürzte der Kläger gegen 9.10 Uhr beim Verlassen des Wohnhauses auf einem schmalen von der Streithelferin nicht geräumten Streifen des öffentlichen Gehwegs im Bereich des Grundstückseingangs vor dem Anwesen der Beklagten. Hierbei zog er sich Frakturverletzungen am rechten Knöchel zu. Die Streithelferin hatte den Gehweg mehrfach geräumt und gestreut, wenn auch nicht auf der ganzen Breite und auch nicht bis zur Schwelle des unmittelbar an den Gehweg angrenzenden Anwesens der Beklagten. Die Beklagte wiederum hatte keine Schneeräumarbeiten auf dem Gehweg vorgenommen, weil sie ihrer Meinung nach dazu nicht verpflichtet war.

Die auf Zahlung materiellen Schadensersatzes in Höhe von 4.291,20 €, eines angemessenen Schmerzensgeldes (jeweils nebst Zinsen) sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfall gerichtete Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.


Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Vermieter und Grundstückseigentümer, dem die Gemeinde nicht (als Anlieger) die allgemeine Räum- und Streupflicht übertragen hat, regelmäßig nicht verpflichtet ist, auch über die Grundstücksgrenze hinaus Teile des öffentlichen Gehwegs zu räumen und zu streuen.

Zwar ist ein Vermieter aus dem Mietvertrag (in dessen Schutzbereich vorliegend auch der Kläger als Lebensgefährte der Mieterin einbezogen war) verpflichtet, dem Mieter während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache und damit auch den Zugang zum Mietobjekt zu gewähren (§ 535 Abs. 1 BGB). Dazu gehört es grundsätzlich auch, die auf dem Grundstück der vermieteten Wohnung befindlichen Wege, insbesondere vom Hauseingang bis zum öffentlichen Straßenraum, zu räumen und zu streuen. Die gleiche Pflicht trifft den Eigentümer eines Grundstücks im Übrigen auch im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB) etwa gegenüber Mietern, Besuchern und Lieferanten.

Vorliegend ist der Kläger allerdings nicht auf dem Grundstück, sondern auf dem öffentlichen Gehweg gestürzt. Die dem Vermieter seinen Mietern gegenüber obliegende (vertragliche) Verkehrssicherungspflicht beschränkt sich jedoch regelmäßig auf den Bereich des Grundstücks. Entsprechendes gilt für die allgemeine (deliktische) Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers, sofern die Räum- und Streupflicht für den öffentlichen Gehweg von der Gemeinde nicht auf die Eigentümer (Anlieger) übertragen ist. Im Streitfall lag die Verkehrssicherungspflicht für den öffentlichen Gehweg vor dem Anwesen indes bei der Streithelferin und nicht bei der insoweit vom Winterdienst befreiten Beklagten.

Eine Ausweitung der betreffenden Verkehrssicherungspflicht über die Mietsache beziehungsweise über das Grundstück hinaus kommt demgegenüber allenfalls ausnahmsweise bei Vorliegen ganz außergewöhnlicher Umstände in Betracht, die im Streitfall aber nicht gegeben waren. Das Berufungsgericht hat es daher mit Recht als dem Kläger zumutbar angesehen, mit der gebotenen Vorsicht den schmalen, nicht geräumten Streifen des Gehwegs zu überqueren, um zu dem (durch die Streithelferin) von Schnee und Eis befreiten Bereich zu gelangen. Der Senat hat die Revision des Klägers deshalb zurückgewiesen.


Die maßgeblichen Vorschriften lauten:


§ 535 BGB Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrages

(1) 1Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. 2Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. […]


§ 823 BGB Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
[…]


Urteil vom 21. Februar 2018 - VIII ZR 255/16

Vorinstanzen:

LG München - Urteil vom 14. Januar 2016 – 2 O 28823/13
OLG München - Urteil vom 6. Oktober 2016 – 1 U 790/16


Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 21.02.2018

Haufe.de: Landgericht Berlin hält Mietpreisbremse für verfassungswidrig

Die Mietpreisbremse ist nach Meinung des LG Berlin verfassungswidrig. Zu einer endgültigen Klärung dieser Frage durch das Bundesverfassungsgericht wird es vorerst aber nicht kommen.


Die 67. Zivilkammer des LG Berlin hält § 556d BGB, der die Mietpreisbremse regelt, für verfassungswidrig. In einem Hinweisbeschluss vertreten die Berliner Richter die Auffassung, die Mietpreisbremse, die an die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete anknüpft, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Mietpreise innerhalb Deutschlands seien sehr unterschiedlich. So belaufe sich die ortsübliche Vergleichsmiete in München auf ca. 12 Euro/Quadratmeter, während sie in Berlin ca. 7 Euro/Quadratmeter betrage. Dies sei ein Unterschied von über 70 Prozent. Damit habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten wesentlich ungleich treffe. Das sei weder durch den Gesetzeszweck noch sonstige Gründe gerechtfertigt.

Ferner würden Vermieter, die schon in der Vergangenheit eine nach dem Maßstab der Mietpreisbremse zu hohe Miete (mehr als 10 Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete) vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt. Es sei nicht zu rechtfertigen, dass diese Vermieter bei einer Neuvermietung die bisherige Miete weiterhin verlangen dürften. Vermieter, die bei der Miethöhe bisher moderat agiert hätten, würden gegenüber solchen Vermietern benachteiligt, die in der Vergangenheit die maximal mögliche Miete verlangt und dadurch zur Wohnraumknappheit für Geringverdiener beigetragen hätten.


In dem Beschluss kündigte das Gericht auch an, sein Verfahren auszusetzen und die Frage zunächst dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Hierzu kommt es aber nicht, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse im konkreten Verfahren letztendlich nicht entscheidungserheblich war.

Mit ihrer Auffassung stellen sich die Richter der 67. Zivilkammer gegen ihre Kollegen von der 65. Zivilkammer. Diese hatten im März ausgeführt,
gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung zur Mietpreisbremse in § 556d Abs. 2 BGB bestünden keine Bedenken.
(
LG Berlin, Hinweisbeschluss v. 14.9.2017, 67 S 149/17)

Reaktionen der Immobilienverbände

Das Echo der Immobilienverbände auf den Beschluss des LG Berlin ist gespalten.

Der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland begrüßt die Auffassung der Berliner Richter und fordert, die Mietpreisbremse abzuschaffen. So sehen dies auch der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), der dem Beschluss „bundesweite Signalwirkung“ beimisst, der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) und der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA).

Der Deutsche Mieterbund verweist hingegen darauf, dass allein das Bundesverfassungsgericht gesetzliche Regelungen für verfassungswidrig erklären könne und verleiht dem Beschluss des LG Berlin das Prädikat „Viel Lärm um nichts“.

Auch andere Gerichte halten Mietpreisbremse für unwirksam

Vor dem LG Berlin hatten bereits
das AG München und das AG Hamburg-Altona die Mietpreisbremse für unwirksam angesehen. Die Amtsgerichte stellten allerdings nicht – wie nun das LG Berlin - die Vorschrift im BGB, die Grundlage für die Regelungen der Bundesländer ist, in Frage. Sie hielten vielmehr die Landesverordnungen, mit denen die von der Mietpreisbremse konkret erfassten Gebiete festgelegt werden, mangels ordnungsgemäßer Begründung für unwirksam.

Wahlkampfthema Mietpreisbremse
Die Zukunft der Mietpreisbremse ist auch Thema im Bundestagswahlkampf. Während die CDU eine Verschärfung ablehnt und die FDP für eine Abschaffung plädiert, fordern SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke in unterschiedlichen Ausprägungen eine Verschärfung.

Quelle: Haufe.de Online Redaktion vom 20.09.2017 –
Link zum Originalartikel

BGH: Kinderlärm ist normalerweise zulässig – aber nicht grenzenlos

In einem Mehrfamilienhaus sind gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen durch Kinderlärm grundsätzlich hinzunehmen. Allerdings gibt es Grenzen, die von den Umständen des Einzelfalls abhängen.


Hintergrund

Die Mieterin einer Wohnung verlangt vom Vermieter die Beseitigung von Lärmstörungen, die Feststellung eines Minderungsrechts sowie die Rückzahlung von unter Vorbehalt gezahlter Miete. Die Erdgeschosswohnung befindet sich in einem Achtfamilienhaus, das um 1900 erbaut wurde. 2012 zog in die darüberliegende Wohnung im ersten Obergeschoss eine Familie mit zwei kleinen Kindern ein.

Die Mieterin moniert, dass es seit dem Einzug der Familie aus der Wohnung fast täglich zu massiven Lärmstörungen durch Stampfen, Springen und Poltern sowie Schreie und sonstige lautstarke Auseinandersetzungen komme. Die Störungen hat sie teilweise in detaillierten Lärmprotokollen festgehalten. Die Mieterin macht eine Minderung von 50 Prozent geltend.

Vor Amts- und Landgericht blieb die Klage ohne Erfolg. Die Gerichte meinten, Kinderlärm sei zwar nicht in jeglicher Form und Intensität hinzunehmen. Grundsätzlich sei vielmehr bei jeder Art von Lärm einschließlich Kinderlärm auf die Belange und das Ruhebedürfnis der Nachbarn Rücksicht zu nehmen, wobei die Erziehungsberechtigten auch verpflichtet seien, Kinder zu einem rücksichtsvollen Verhalten bezüglich ihrer Bewegungen und akustischen Äußerungen anzuhalten. Das zulässige Maß sei hier aber nicht überschritten. Es sei normal, dass Kleinkinder rennen und fest auftreten, auch wenn dies in der Wohnung darunter als Stampfen empfunden werde. Auch könnten sich Kleinkinder nicht differenziert äußern, sondern bedienten sich akustischer Äußerungen, die andere Personen als Schreien oder Brüllen wahrnehmen. Soweit in den Lärmprotokollen ein Brüllen des Vaters verzeichnet sei, sei dies meistens darauf gerichtet gewesen, die Kinder zur Ruhe zu ermahnen. Dies zeige, dass die Nachbarn ihre Kinder gerade zu rücksichtvollem Verhalten anhalten wollten. Die lautstarken Äußerungen der Erwachsenen seien zwar nicht pädagogisch wertvoll, aber noch als sozial adäquat zu akzeptieren.

Entscheidung

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Das Landgericht hätte den Beanstandungen der Mieterin nachgehen müssen und die geschilderten Einwirkungen nicht ohne Weiteres als sozialadäquat einstufen dürfen.

In einem Mehrfamilienhaus sind gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen durch Lärm grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen. Sie begründen nicht ohne Weiteres einen Mangel. Dazu zählt auch üblicher Kinderlärm, den das Immissionsschutzrecht grundsätzlich als zumutbar behandelt. Andererseits hat die insoweit zu fordernde erhöhte Toleranz auch Grenzen. Diese sind im Einzelfall zu bestimmen. Dabei kommt es auf Art, Qualität, Dauer und Zeit der Geräusche sowie das Alter und den Gesundheitszustand des Kindes an. Ferner ist zu berücksichtigen, inwieweit sich die Geräuschimmissionen vermeiden lassen, etwa durch erzieherische Einwirkung auf das Kind oder durch bauliche Maßnahmen.

Das Landgericht ist zwar auch von diesem Ansatz ausgegangen, hat aber wesentliches Vorbringen der Mieterin, die die Einwirkungen sehr detailliert beschrieben hat, übergangen. Nach dem Vortrag der Mieterin und den vorgelegten Lärmprotokollen war das zulässige Maß an Lärm überschritten. Dabei hätte die Mieterin
nicht einmal Lärmprotokolle vorlegen müssen, um die Geräuschbelastung ausreichend darzulegen.

Das Landgericht muss nun vor einer erneuten Entscheidung über den Fall Beweis erheben. Außer der Vernehmung von Zeugen könnte noch ein Ortstermin in Frage kommen, damit sich das Gericht ein eigenes Bild von der Situation vor Ort machen kann; eventuell muss das Gericht auch einen Sachverständigen beiziehen, um zu klären, wie hellhörig das Haus wirklich ist.
(BGH, Beschluss v. 22.8.2017, VIII ZR 226/16)

Quelle: Haufe.de Online Redaktion vom 12.09.2017 –
Link zum Originalartikel

BGH: Betriebskostenabrechnung ist nicht fehlerhaft, weil Mieter blättern muss

Eine Betriebskostenabrechnung ist nicht deshalb formell fehlerhaft, weil der Mieter hin- und herblättern muss, um die auf mehrere Seiten verteilten Rechenschritte nachvollziehen zu können.


Hintergrund: Betriebskostenabrechnung mehrstufig aufgebaut

Die Vermieter einer Wohnung verlangen vom Mieter die Nachzahlung von Betriebskosten aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2013 und 2014.

Die Abrechnungen bestehen jeweils aus mehreren Seiten. Jeweils auf der ersten Seite werden 15 genau bezeichnete Kostenpositionen mit den darauf für das gesamte Anwesen jährlich entfallenden Beträgen unter den Ziffern 1 bis 15 aufgelistet.


Auf der zweiten Seite werden diese Kosten jeweils unter Angabe der Ziffern von der ersten Seite einer von vier Umlagearten (A: Wohnfläche/Nutzfläche; B: Einzelverbrauch nach Kaltwasseruhren; C: Laden- bzw. Wohneinheiten; D: Einzelabrechnung Techem) zugeordnet. Im Anschluss sind die auf die jeweilige Umlageart entfallenden Gesamtbeträge mit Ausnahme der Techem-Abrechnung angegeben; die Techem-Abrechnung über die Heiz- und Warmwasserkosten ist jeweils separat beigefügt.

Auf der darauffolgenden Seite sind schließlich - nun mit Gliederungspunkten 1 bis 4 bezeichnet und zusätzlich inhaltlich beschrieben - die nach den vier Umlagearten jeweils anteilig auf den Mieter entfallenden Beträge aufgeführt und addiert. 

Das Landgericht war der Meinung, die Abrechnungen seien zu kompliziert und daher formell nicht ordnungsgemäß. Weil der Mieter hin- und herblättern müsse, um die Abrechnung nachvollziehen zu können und die Umlagearten zunächst mit A bis D und auf der nächsten Seite mit 1 bis 4 bezeichnet seien, seien die Abrechnungen nicht aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar. Zudem fehle es an einer Erläuterung, warum Position 14 (Treppenhausreinigung) nicht wie die davor aufgelisteten Positionen nach Wohnfläche, sondern nach Wohneinheiten umgelegt werde.

Entscheidung: Keine hohen Anforderungen an Betriebskostenabrechnung

Die Betriebskostenabrechnungen sind formell ordnungsgemäß, so der BGH.

Eine Betriebskostenabrechnung ist formell ordnungsgemäß, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Dabei sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Entscheidend ist allein, ob es die Angaben in der Betriebskostenabrechnung dem Mieter ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen.

Soweit keine besonderen Abreden getroffen sind, sind daher in die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen:
  • Zusammenstellung der Gesamtkosten, 
  • Angabe und - soweit erforderlich - die Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, 
  • Berechnung des Anteils des Mieters 
  • Abzug der geleisteten Vorauszahlungen

Die vorliegenden Abrechnungen erfüllen diese Anforderungen. Notwendig, aber auch ausreichend ist es, dass der Mieter die ihm angelasteten Kosten bereits aus der Abrechnung klar ersehen und überprüfen kann, so dass die Einsichtnahme in dafür vorgesehene Belege nur noch zur Kontrolle und zur Beseitigung von Zweifeln erforderlich ist.

Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass der Mieter hier, um die auf der dritten Seite der Abrechnung auf ihn entfallenden Kostenanteile nachzuvollziehen, auf die beiden vorhergehenden Seiten zurückblättern und die auf drei Seiten enthaltenen Angaben gedanklich zusammenführen muss. Denn die Zusammenhänge erschließen sich bei verständigem Lesen ohne Weiteres auch einem Laien.

Es ist auch unschädlich, dass die auf den Mieter entfallenden Anteile nur zusammengefasst nach Umlageschlüsseln und nicht für alle 15 Kostenpositionen getrennt ausgewiesen werden. (Hierzu 
BGH: Vermieter muss nicht von jeder Betriebskostenart die Summe bilden)

Die Nachvollziehbarkeit der Abrechnungen wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass nicht erläutert wird, warum die Treppenhausreinigung nach Wohneinheiten anstatt nach Wohnfläche umgelegt wird. Er reicht aus, wenn für den Mieter erkennbar ist, welchen Umlageschlüssel der Vermieter angewendet hat. Ob der Schlüssel der richtige ist, ist ausschließlich eine inhaltliche Frage.

(BGH, Urteil v. 19.7.2017, VIII ZR 3/17)
Quelle: Haufe.de Online Redaktion vom 14.08.2017 –
Link zum Originalartikel

Haufe.de: Wärmedämmung an Neubau darf nicht über die Grenze ragen

Ein Grundstückseigentümer muss eine grenzüberschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand des Nachbarhauses nicht dulden, wenn hierdurch Anforderungen der EnEV erfüllt werden, die beim Bau des Gebäudes schon gegolten haben.


Hintergrund: Dämmung ragt über die Grenze

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen vom Grundstücksnachbarn die Duldung von Baumaßnahmen.

Auf dem Grundstück des Nachbarn befindet sich ein Reihenendhaus, das an der Grenze zum WEG-Grundstück steht. An dieses Gebäude hatte ein Bauträger 2004/2005 das heute den Wohnungseigentümern gehörende Mehrfamilienhaus angebaut. Die Giebelwand des Mehrfamilienhauses steht entlang der Grundstücksgrenze gut eineinhalb Meter vor. In diesem Bereich der Giebelwand brachte der Bauträger im August 2005 eine Dämmung an, die sieben Zentimeter in das Nachbargrundstück hineinragt. Die Dämmung ist nicht verputzt und nicht gestrichen. Dies wollen die Wohnungseigentümer nachholen und Putz sowie einen Anstrich von 0.5 Zentimetern Dicke aufbringen. Hierbei stützen sie sich auf § 16a des Berliner Nachbargesetzes (NachbG Bln), der folgenden Wortlaut hat:


§ 16a NachbG Bln Wärmeschutzüberbau der Grenzwand
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks hat die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden, wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht.
[…]
(3) Der Begünstigte des Wärmeschutzüberbaus muss die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen und funktionsgerechten Zustand erhalten. Er ist zur baulichen Unterhaltung der wärmegedämmten Grenzwand verpflichtet.
Der Nachbar weigert sich, die beabsichtigte Maßnahme zu dulden.

Entscheidung: Ausnahme gilt nur für Altbauten

Die Duldungsklage hat keinen Erfolg. Die Wohnungseigentümer können sich in diesem Fall nicht auf § 16a NachbG Bln berufen.
Die dort geregelte Duldungspflicht gilt nicht für eine die Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand, mit der der benachbarte Grundstückseigentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllt.
Der Landesgesetzgeber wollte Grundstückseigentümern nicht generell gestatten, eine Wärmedämmung grenzüberschreitend, also im Wege des Überbaus, anzubringen. Ziel der Regelung ist vielmehr, energetische Sanierungen von Altbauten zu erleichtern. Diese wurden bei Gebäuden, die auf der Grundstücksgrenze stehen, häufig dadurch erschwert, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu dem durch die Verkleidung der Grenzwand mit einem Wärmeverbundsystem entstehenden Überbau verweigerte oder von unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte. Dem sollte durch die Einführung einer Duldungspflicht begegnet werden.
Für Neubauten gilt die Duldungspflicht nicht, weil die Anforderungen der EnEV bereits bei der Planung berücksichtigt werden können. Neubauten sind so zu planen, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet.
Das hat der Bauträger bei Errichtung des Gebäudes 2004/2005 nicht beachtet. Er hat trotz der Anforderungen der EnEV das ungedämmte Mehrfamilienhaus unmittelbar an die Grenze zum Nachbargrundstück gebaut. In dieser Situation gilt die Duldungspflicht des Nachbarn nach § 16a Abs. 1 NachbG Bln nicht.

(BGH, Urteil v. 2.6.2017, V ZR 196/16)

Quelle: Haufe.de Online Redaktion vom 02.06.2017 –
Link zum Originalartikel