VDIV: Mietrecht > Bei einer Modernisierungsmieterhöhung ist Instandhaltungsanteil abzuziehen

Werden alte Bauteile im Rahmen einer Modernisierung erneuert, ist bei der Modernisierungsmieterhöhung nach §§ 559 Abs. 2, 559b Abs. 1 BGB auch dann ein Anteil für Instandhaltung herauszurechnen, wenn die Bauteile noch funktionsfähig und die Instandhaltungsmaßnahmen noch nicht „fällig″ waren. Ein Abzug anteiliger ersparter Instandhaltungskosten ist dann geboten, wenn bereits ein nicht unerheblicher Teil ihrer Nutzungsdauer verstrichen war.

Der Fall

Die Vermieter einer Wohnung in Düsseldorf kündigten gegenüber einer Mieterin mit Schreiben vom 30.05.2015 eine Erhöhung der Miete nach Abschluss der Arbeiten von verschiedenen baulichen Veränderungen an. Die Nettokaltmiete betrug zuletzt 306,83 Euro. Die Baumaßnahmen wurden im Jahr 2016 ausgeführt. Diese umfassten unter anderem die Umstellung der Heizungsanlage von einer Beheizung mittels Gastherme auf Fernwärme, die Erneuerung der etwa 60 Jahre alten Eingangstür zur Wohnung der Mieterin, der ebenso alten Treppenhausfenster und Haustüren nebst Briefkastenanlage, die Neuverlegung von elektrischen Leitungen samt Erneuerung der Hausbeleuchtung einschließlich des erstmaligen Einbaus von Bewegungsmeldern sowie einer Gegensprechanlage, den Austausch der Fenster in der Wohnung der Mieterin sowie die erstmalige Wärmedämmung des Daches, der Fassade sowie der Kellerdecke.
Mit Schreiben vom 11.10.2016 erklärten die Vermieter die Erhöhung der Nettokaltmiete zum 01.01.2017 um 189,68 Euro und mit weiterem Schreiben vom 19.07.2017 zum 01.01.2017 um 241,55 Euro. Die Mieterin begehrte daraufhin die Feststellung, dass die Mieterhöhungen unberechtigt seien. Das Amtsgericht hatte der Feststellungsklage stattgegeben, da beide Erhöhungsverlangen bereits formell unwirksam seien. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der ersten Mieterhöhungserklärung die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt. Bezüglich der zweiten Erhöhung hat es festgestellt, dass diese Erklärung jedenfalls teilweise in formeller wie materieller Hinsicht wirksam und das Mieterhöhungsschreiben nur in Bezug auf die Umstellung der Heizung von Gas- auf Fernwärme unzureichend sei. Laut Begründung der Berufungsinstanz führe dies jedoch nicht zur Gesamtnichtigkeit des Erhöhungsschreibens nach § 139 BGB.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit dorthin zurückverwiesen. Die Vermieter hätten die Kosten für die Erneuerung der 60 Jahre alten Bauteile bei der Berechnung der Modernisierungsmieterhöhung nicht in voller Höhe ansetzen dürfen. Nach bestimmten Modernisierungsmaßnahmen kann gemäß § 559 Abs. 1 BGB ein Vermieter die jährliche Miete um 11 Prozent (bis 2018) beziehungsweise 8 Prozent (seit 2019) der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen. Kosten, die für die Instandhaltung dabei erforderlich gewesen wären, gehören nach § 559 Abs. 2 BGB nicht dazu.

Nach Auffassung des BGH hat die Berufungsinstanz im vorliegenden Fall verkannt, dass bei einer modernisierenden Erneuerung von Bauteilen oder Einrichtungen die dafür vom Vermieter aufgewendeten Kosten auch dann nicht vollständig auf den Mieter nach § 559 Abs. 1 BGB umgelegt werden können, wenn zum Zeitpunkt der Modernisierung zwar noch kein „fälliger“ Instandsetzungsbedarf bestand, aber bereits ein nicht unerheblicher Teil ihrer Nutzungsdauer verstrichen war und deshalb ein Abzug anteiliger ersparter Instandhaltungskosten gemäß § 559 Abs. 2 BGB geboten ist. Denn nach dem Regelungszweck dieser Normen verbietet es sich, in Fällen, in denen schon länger genutzte Bauteile durch solche von besserer Qualität und höherem Wohnkomfort ersetzt werden, die gesamten für diese Baumaßnahme aufgewendeten Kosten ungekürzt auf den Mieter umzulegen. Denn Sinn der Modernisierungsvorschriften ist es gerade nicht, dem Vermieter (teilweise) auch die Umlage von Instandhaltungskosten auf den Mieter zu ermöglichen. Den Vermieter trifft dabei grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Erhöhung der Miete nach Modernisierung gemäß §§ 559 Abs. 1 und 559 b Abs. 1 S. 1 BGB vollständig vorliegen. Der Anteil der Kosten, der auf die Modernisierung entfällt und umlagefähig ist und der nicht umlagefähige Instandhaltungsanteil sind durch Schätzung zu ermitteln, die sich an der üblichen Lebensdauer der erneuerten Einrichtung und dem bereits eingetretenen Abnutzungsgrad orientiert.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Juni 2020, Az. VIII ZR 81/19

Vorinstanzen: LG Düsseldorf, 6. März 2019, Az. 5 S 13/18 AG Düsseldorf, 6. Februar 2018, Az. 37 C 173/17


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VDIV: Ortstermine mit Sachverständigen sind auch in Corona-Zeiten durchzuführen

Ist zur Beweisaufnahme ein Ortstermin mit einem Sachverständigen erforderlich, ist der Termin trotz Corona-bedingter Bedenken einer Partei durchzuführen. Die Einhaltung der üblichen Infektionsschutzregeln hat dabei der Sachverständige sicherzustellen, wie das LG Saarbrücken entschied.

Der Fall
Wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum und in einzelnen Sondereigentumseinheiten hatte eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens beantragt. Gegen die vom Gericht angeordnete umfangreiche bausachverständige Begutachtung hatte sich jedoch eine der Parteien aufgrund Corona-bedingter Bedenken ausgesprochen. In der Folge wandte sich der Sachverständige mit der Bitte um Anweisung an das Gericht, wie in der Sache weiter verfahren werden soll.

Die Entscheidung
Das LG Saarbrücken hat entschieden, dass der für die Beweiserhebung zwingend erforderliche Ortstermin stattzufinden hat. Die Furcht einer Partei vor einer Infektion mit dem Corona-Virus sei allein kein erheblicher Grund, keinen Ortstermin durchzuführen. Werden die allgemeinen Regeln des Infektionsschutzes eingehalten, könnten die Termine in dem vorliegenden selbstständigen Beweisverfahren durchgeführt werden, auch wenn an ihnen notwendigerweise fünf Personen oder mehr teilnehmen müssten. Dabei obliege es dem Sachverständigen, den notwendigen Infektionsschutz durch Anordnung der allgemeinen Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht oder Einhaltung des Abstandsgebots sicherzustellen.

Das Gericht führt zudem aus, dass – sofern es seitens einer Partei Bedenken gebe, derzeit einen Ortstermin durchzuführen – diese Partei angehalten sei, für den Eigenschutz zu sorgen oder sich vertreten zu lassen. Der Ortstermin zwinge die Partei nicht dazu, selbst bei den sachverständigen Feststellungen vor Ort anwesend zu sein – sie könne zu den gutachterlichen Feststellungen auch nach Vorliegen des Gutachtens Stellung nehmen.

Dem Landgericht sei bei dieser Entscheidung bewusst, dass die obigen theoretischen Ausführungen zum Infektionsschutz auf besondere praktische Schwierigkeiten stoßen. Da zum Teil konkrete Feststellungen in kleinen Räumen wie Bädern zu treffen sein werden, werde die Einhaltung der Abstandsregeln erschwert. Das Landgericht könne nur an die Parteien appellieren, durch besondere Disziplin einen größtmöglichen Infektionsschutz sicherzustellen.

LG Saarbrücken, Beschluss vom 12.05.2020, 15 OH 61/19


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VDIV / BGH: Verwalter darf Beschluss über bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums bei einfacher Mehrheit verkünden

Gemäß § 22 Absatz 1 WEG kann ein Beschluss über eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums mit einfacher Mehrheit gefasst werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Fehlt die Zustimmung einzelner beeinträchtigter Wohnungseigentümer, ist ein dennoch verkündeter Beschluss anfechtbar, aber nicht nichtig. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 29. Mai 2020 (Az. V ZR 141/19) klargestellt.

Der Fall

Im konkreten Fall hatten die Wohnungseigentümer in einer Eigentümerversammlung im Jahr 2011 mit Stimmenmehrheit beschlossen, einer Teileigentümerin den Umbau ihres Einkaufzentrums im Hinblick auf die damit verbundenen baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums zu genehmigen. Der Geschäftsführer der Verwalterin verkündete den Beschluss. Ein Wohnungseigentümer, der gegen den Beschluss gestimmt hatte, reichte Anfechtungsklage ein. Nach einer übereinstimmenden Erledigungserklärung erlegte das Landgericht die Prozesskosten den beklagten Wohnungseigentümern auf, weil der Beschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit für ungültig erklärt worden wäre. Es habe nicht die Zustimmung aller Eigentümer vorgelegen, die durch die Baumaßnahmen beeinträchtigt werden.

Daraufhin verlangten einige der im Verfahren unterlegenen Wohnungseigentümer von der ehemaligen Verwalterin Ersatz der im Anfechtungsverfahren entstandenen Kosten. Sie argumentierten, der Geschäftsführer der Verwalterin hätte das Zustandekommen des Beschlusses nicht verkünden dürfen.

Die Entscheidung

Die BGH-Richter sahen das anders. Der Beschluss, mit dem die bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums genehmigt wurde, war zwar mangels Zustimmung aller beeinträchtigten Eigentümer rechtswidrig. Gleichwohl hat der Geschäftsführer der Verwalterin bei der Verkündung des Beschlusses nicht pflichtwidrig gehandelt.

Die Verantwortung für den Inhalt gefasster Beschlüsse liegt bei den Wohnungseigentümern. Sie können das Risiko der Anfechtung bewusst eingehen. Der Verwalter ist jedoch als Versammlungsleiter verpflichtet, der Eigentümerversammlung durch umfassende Informationen eine ordnungsgemäße Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu verschaffen. Dazu gehört die Pflicht, vor der Abstimmung über eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums nach § 22 Abs. 1 WEG auf ein bestehendes Zustimmungserfordernis hinzuweisen. Im strittigen Fall konnten die klagenden Eigentümer nicht nachweisen, dass der Verwalter seine Informations- und Hinweispflichten verletzt hatte. Entsprechend hat er nicht pflichtwidrig gehandelt, indem er den Beschluss über die bauliche Veränderung verkündet hat. 

Fazit für den Verwalter

In Vorbereitung einer Beschlussfassung über die bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums muss der Verwalter prüfen, ob und welche Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen müssen. Vor der Beschlussfassung muss er die Eigentümerversammlung über das Ergebnis seiner Prüfung informieren und auf Anfechtungsrisiken hinweisen.

Versäumt es der Verwalter, in gebotener Weise über ein bestehendes Zustimmungserfordernis zu informieren, so handelt er zwar pflichtwidrig im Sinne von § 280 Absatz 1 BGB. Nach Auffassung des BGH hat er einen Rechtsirrtum aber nur dann im Sinne von § 276 BGB zu vertreten, wenn seine Einschätzung offenkundig falsch ist.

Es mag jedoch durchaus vorkommen, dass ein Verwalter der Auffassung ist, dass die erforderliche Zustimmung einzelner Eigentümer fehlt, und daher Bedenken gegen die Verkündung des Beschlusses hat, für den sich eine einfache Mehrheit ausgesprochen hat. Dann kann er, statt das Zustandekommen des Beschlusses zu verkünden, eine Weisung der Wohnungseigentümer im Wege eines Geschäftsordnungsbeschlusses einholen.

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Haufe.de: BGH entscheidet, dass nach unwirksamer Jahresabrechnung die Abrechnungsspitze nicht zurückverlangt werden kann

Wurde eine Jahresabrechnung ganz oder teilweise für ungültig erklärt, können die einzelnen Wohnungseigentümer die Erstellung einer korrigierten Abrechnung verlangen.
Eine Rückzahlung der Abrechnungsspitze steht ihnen hingegen nicht zu.
Hintergrund: Jahresabrechnung nach Zahlung für ungültig erklärt


Ein Wohnungseigentümer verlangt von der Wohnungseigentümergemeinschaft die Rückzahlung der Abrechnungsspitze aus der Jahresabrechnung für 2011.


In der Einzelabrechnung entfiel auf den Eigentümer eine Position "Dachsanierung" in Höhe von 2.240 Euro. Die Abrechnung endete mit einer Nachzahlung/Abrechnungsspitze von 1.434 Euro. Bezüglich der Position "Dachsanierung" erhob der Eigentümer Anfechtungsklage. Während des laufenden Anfechtungsverfahrens zahlte er die Abrechnungsspitze nebst Zinsen.


Im Februar 2014 erklärte das Amtsgericht den Beschluss über die Jahresabrechnung 2011 hinsichtlich der Position "Dachsanierung" für ungültig. Der Eigentümer verlangt von der Gemeinschaft nun die Rückzahlung der Abrechnungsspitze von 1.434 Euro und der gezahlten Zinsen.


Entscheidung: Nur Anspruch auf neue Abrechnung
Der Wohnungseigentümer kann von der Gemeinschaft keine Rückzahlung der Abrechnungsspitze verlangen. Die erfolgreiche Anfechung der Einzelabrechnungen hat zwar dazu geführt, dass der Beschluss von anfang an (ex tunc) als ungültig anzusehen ist. Davon sind zwangsläufig auch die Abrechnungsspitzen erfasst.
Das hat aber nicht zur Folge, dass einzelne Eigentümer gezahlte Abrechnungsspitzen unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern können. Die fehlerhafte Verteilung der Kosten für eine Einzelposition kann auf diese Weise nicht behoben werden. Wird eine Jahresabrechnung insgesamt oder teilweise für ungültig erklärt, haben die einzelnen Eigentümer vielmehr einen Anspruch gegen den Verwalter auf Erstellung einer neuen Jahresabrechnung für das betroffene Jahr. Von den übrigen Wohnungseigentümern können sie eine Beschlussfassung hierüber verlangen. Die Kosten für eine zunächst fehlerhaft verteilte Einzelposition müssen fehlerfrei verteilt werden, indem der darauf bezogene unselbständige Rechnungsposten verändert und die Abrechnungsspitze unter Einbeziehung der (Soll-)Vorauszahlungen sowie der bestandskräftigen Ausgabenpositionen neu errechnet wird. Das Ergebnis muss mit den auf die fehlerhafte Jahresabrechnung geleisteten Zahlungen beziehungsweise Erstattungen verrechnet werden. Weil es nur um die interne Verteilung einer feststehenden, bereits aufgewendeten Summe geht, ergeben sich teilweise Erstattungen und teilweise Nachforderungen. Aus Sicht der Gemeinschaft ist die geänderte Kostenverteilung daher kostenneutral.


Vorrang der Jahresabrechnung auch bei Eigentümerwechsel

Der Vorrang der Jahresabrechnung gilt auch, wenn zwischen der Zahlung und der erneuten Beschlussfassung ein Eigentumswechsel stattfindet. Mögliche Konsequenzen laufender Beschlussanfechtungsverfahren müssen Veräußerer und Erwerber eines Wohnungseigentums gegebenenfalls vertraglich regeln.


Keine Rückzahlung von Verzugszinsen trotz ungültiger Jahresabrechnung


Der klagende Eigentümer kann trotz der erfolgreichen Anfechtung der Jahresabrechnung keine Rückzahlung der auf die Abrechnungsspitze gezahlten Zinsen verlangen. Eine erfolgreiche Beschlussanfechtung wirkt zwar insofern auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung zurück, als unter den Wohnungseigentümern als Folge der Rechtskraft feststeht, dass der Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach. Gleichwohl besteht der Schuldgrund in der Zwischenzeit fort, und der eingetretene Verzug entfällt nicht rückwirkend, so dass gezahlte Verzugszinsen nicht zurückgefordert werden können. Das hat seine Rechtfertigung darin, dass die laufenden Vorauszahlungen ebenso wie die Abrechnungsspitze bezwecken, dass die für die Bewirtschaftung der Anlage notwendigen Mittel bereitstehen. Auch während einer laufenden Anfechtungsklage bestehen die Zahlungspflichten der Eigentümer fort und im Grundsatz dürfen die Eigentümer auch weder eine Aufrechnung erklären noch ein Zurückbehaltungsrecht ausüben.

(BGH, Urteil v. 10.7.2020, V ZR 178/19)

Quelle: Haufe.de – Online-Redaktion – Link zum Originalbericht

Haufe.de: Neuer Fußboden muss schallschutzkonform sein (BGH-Urteil)

Beim Austausch des Bodenbelags muss ein Wohnungseigentümer die Mindestanforderungen an den Schallschutz auch einhalten, wenn die Trittschalldämmung der Geschossdecke mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel schallschutzkonform wäre.

Hintergrund: Wohnungseigentümer tauscht Teppichboden gegen Fliesen

Die Eigentümer zweier übereinander gelegener Wohnungen streiten über Beeinträchtigungen durch Trittschall.

Die obere Wohnung befindet sich im Dachgeschoss des 1962 errichteten Hauses. Als das Dachgeschoss 1995 zu Wohnraum ausgebaut wurde, wurde dort Teppichboden verlegt. Im Jahr 2008 ließ der Eigentümer der Wohnung den Teppichboden durch Fliesen ersetzen. Seitdem überschreitet der in der darunter gelegenen Wohnung wahrzunehmende Trittschall die nach der einschlägigen DIN zulässigen Werte. Ein Gutachter stellte fest, dass die Trittschalldämmung der Geschossdecke zwischen beiden Wohnungen nicht den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspricht.

Der Eigentümer der unteren Wohnung verlangt, dass in der oberen Wohnung wieder Teppichboden oder ein Belag mit gleichwertiger Trittschalldämmung verlegt wird, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen bestimmten Schallschutzstandard herzustellen.

Entscheidung: Neuer Belag muss Schallschutz erfüllen

Die Klage hat mit dem Hilfsantrag Erfolg. Der Eigentümer der oberen Wohnung muss dafür sorgen, dass ein genauer bezeichneter Schallschutzstandard eingehalten wird.

Jeder Wohnungseigentümer darf von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen – hierzu gehört auch der Oberbodenbelag – nur so Gebrauch machen, dass keinem der anderen Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Das ergibt sich aus § 14 Nr. 1 WEG. Durch den Austausch des Bodenbelags ist dem Eigentümer der unteren Wohnung ein solcher Nachteil entstanden.

Mangel am Gemeinschaftseigentum schmälert Pflichten des Sondereigentümers nicht


Wenn ein vorhandener Bodenbelag ohne Eingriff in den Estrich und die Geschossdecke durch einen anderen ersetzt wird, ist für den Schallschutz die DIN 4109 maßgeblich. Diese Norm gilt auch dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche.

Der Schallschutz muss zwar in erster Linie durch Art und Aufbau von Geschossdecke und Estrich – also Bauteile des Gemeinschaftseigentums – gewährleistet werden. Dennoch muss ein Wohnungseigentümer beim Austausch des Bodenbelags in seinem Sondereigentum darauf achten, dass die Mindestanforderungen der DIN 4109 eingehalten werden. Das gilt jedenfalls, wenn der Eigentümer mit zumutbaren Maßnahmen den Schallschutz einhalten kann, etwa indem er einen schalldämpfenden Teppichboden verlegt oder einen zusätzlichen Bodenbelag anbringt.

Da es dem Eigentümer der oberen Wohnung hier möglich und zumutbar ist, die Mindestanforderungen an den Trittschallschutz einzuhalten, muss er entsprechende Maßnahmen ergreifen und kann sich nicht mit dem Hinweis entlasten, die Ursache liege im Gemeinschaftseigentum.

(BGH, Urteil v. 26.6.2020, V ZR 173/19)

Quelle: Haufe.de – Online-Redaktion – Link zum Originalbericht

Haufe.de: Winterdienst ist Werkvertrag (BGH-Urteil)

Erbringt ein beauftragtes Unternehmen den Räum- und Streudienst nur mangelhaft, kann der Auftraggeber die Vergütung mindern. Beim Vertrag über den Winterdienst handelt es sich um einen Werkvertrag, so dass ein Erfolg geschuldet ist.

Hintergrund: Winterdienst mangelhaft erbracht

Der Betreiber eines Winterdienstes verlangt vom Eigentümer eines Hausgrundstücks Restvergütung aufgrund eines „Reinigungsvertrages Winterdienst“.
Der Winterdienst hatte sich vertraglich verpflichtet, im Winter die vereinbarten Flächen gemäß den Pflichten des Straßenreinigungsgesetzes des Bundeslandes bzw. der kommunalen Satzung von Schnee freizuhalten und bei Glätte zu bestreuen.


Der Hauseigentümer beanstandet, dass der Räum- und Streudienst an einigen Tagen nicht vollständig erbracht worden sei und hat deshalb einen Teil der vereinbarten Vergütung einbehalten. Der Winterdienst verlangt Zahlung des einbehaltenen Betrages.
Amts- und Landgericht waren der Auffassung, der Eigentümer könne sich nicht auf eine mangelhafte Ausführung berufen und müsse die volle Vergütung zahlen, denn es handle sich um einen Dienstvertrag.

Entscheidung: Winterdienst muss ordentlich ausgeführt werden

Der Einwand des Eigentümers, der Winterdienst habe seine Leistung nicht vollständig erbracht, ist beachtlich. Sollte der Winterdienst seine Pflichten tatsächlich nicht ordnungsgemäß erfüllt haben, kann der Eigentümer die Vergütung kürzen, denn zwischen den Parteien besteht ein Werkvertrag.
Gegenstand eines Werkvertrags kann auch ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Vertragsgegenstand war die erfolgreiche Bekämpfung von Schnee- und Eisglätte. Der Werkerfolg besteht maßgeblich darin, dass die Gefahrenquelle beseitigt wird.
Das Werk ist nicht abnahmebedürftig, denn Sinn und Zweck des Winterdienstes ist es, dass der Unternehmer den Winterdienst versieht, ohne dass der Besteller jedes Einsatzergebnis billigen soll. Sofern der Unternehmer seine vertragliche Verpflichtung unvollständig erfüllt hat, ist das geschuldete Werk mangelhaft. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ist entbehrlich. Die Vergütung kann entsprechend gemindert werden.

(BGH, Urteil v. 6.6.2013, VII ZR 355/12)


Quelle: Haufe.de – Online-Redaktion –
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Haufe.de: Wohnungseigentümer dürfen einheitliche Rauchwarnmelder in der WEG beschließen (BGH-Urteil)

Beschließen die Wohnungseigentümer, die Wohnungen mit Rauchwarnmeldern auszustatten, müssen sie nicht solche Wohnungen ausnehmen, deren Eigentümer bereits selbst Rauchwarnmelder installiert haben.

Hintergrund: Beschluss über Rauchwarnmelder

In einer Eigentümerversammlung beschlossen die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft in Nordrhein-Westfalen, die Installation und die Wartung von Rauchwarnmeldern für sämtliche Wohnungen einer Fachfirma zu übertragen. Die Anschaffungskosten sollen aus der Instandhaltungsrücklage finanziert und die laufenden Kosten für die Wartung und Prüfung über die Jahresabrechnung nach Miteigentumsanteilen umgelegt werden.

Die Eigentümer mehrerer Wohnungen haben gegen den Beschluss Anfechtungsklage erhoben. Sie wenden ein, sie hätten ihre Wohnungen bereits mit Rauchwarnmeldern ausgestattet und möchten von der getroffenen Regelung ausgenommen werden.

Entscheidung: Einheitliche Ausstattung mit Rauchwarnmeldern zulässig

Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.

Die Wohnungseigentümer können den Einbau von Rauchwarnmeldern in allen Wohnungen beschließen. Die Beschlusskompetenz umfasst auch die Entscheidung über eine regelmäßige Kontrolle und Wartung. Nach § 49 Abs. 7 Satz 4 BauO NRW muss zwar der unmittelbare Besitzer und nicht der Eigentümer die Betriebsbereitschaft sicherstellen. Die Wohnungseigentümer können aber dennoch eine einheitliche Wartung und Kontrolle der neu eingebauten Rauchwarnmelder durch eine Fachfirma beschließen.

Der Beschluss entspricht auch ordnungsmäßiger Verwaltung. Indem der Einbau und die Wartung von Rauchwarnmeldern für das gesamte Gebäude „in eine Hand“ gelegt werden, wird ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet. Durch die einheitliche Anschaffung und die einheitliche Regelung der Wartung und Kontrolle kann die Gemeinschaft sicherstellen, dass die Rauchwarnmelder den einschlägigen DIN-Normen entsprechen und durch qualifiziertes Fachpersonal installiert und gewartet werden.

Eine solche Regelung „aus einer Hand“ minimiert zudem versicherungsrechtliche Risiken. Es entspricht regelmäßig billigem Ermessen, wenn die Wohnungseigentümer diesen Interessen den Vorzug geben gegenüber den Interessen solcher Eigentümer, die in ihren Wohnungen schon eigene Rauchwarnmelder eingebaut haben und deshalb von einer einheitlichen Regelung ausgenommen werden möchten.

Individuelle Lösungen führen insbesondere in größeren WEGs zur Unübersichtlichkeit und zu einem erheblichen Mehraufwand für den Verwalter bei der Prüfung, ob im jeweiligen Einzelfall die Einbau- und Wartungspflicht erfüllt und der Nachweis darüber geführt ist. Wie ein solcher Nachweis aussehen soll, ist zudem unklar. Das kann zu Lücken in der Gebäudesicherheit führen. Aber auch in kleineren Gemeinschaften ist das den Wohnungseigentümern eingeräumte Ermessen nicht überschritten, wenn die Gemeinschaft den praktikabelsten und sichersten Weg zur Erfüllung der Pflicht zum Einbau und zur Wartung von Rauchwarnmeldern wählt. Demgegenüber ist die finanzielle Mehrbelastung von Wohnungseigentümern, der ihre Wohnung schon mit Rauchwarnmeldern ausgestattet haben, gering.

(BGH, Urteil v. 7.12.2018, V ZR 273/17)

BGH zum Mietrecht: Einheitliche Ausstattung hat Vorrang
Für das Mietrecht hatte der BGH bereits zuvor klargestellt, dass eine einheitliche Ausstattung des gesamten Gebäudes ein höheres Maß an Sicherheit darstellt als eine Ausstattung durch einzelne Mieter. Daher müssen Mieter die Installation von Rauchwarnmeldern auch dann dulden, wenn sie bereits eigene Geräte installiert haben.

Quelle: Haufe.de – Online-Redaktion –
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Haufe.de: Entziehung des Wohnungseigentums bei Bruchteilseigentum

Wohnungseigentum in Bruchteilseigentum kann insgesamt entzogen werden, wenn auch nur einer der Miteigentümer den Hausfrieden nachhaltig stört. Der nicht störende Miteigentümer kann die Entziehung aber abwenden, indem er einige – sehr strenge – Anforderungen erfüllt.

Hintergrund: Ein Bruchteilseigentümer stört den Hausfrieden

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft fiel ein Eigentümer wiederholt durch massive Beschimpfungen anderer Eigentümer und Körperverletzungen auf. Er ist zur Hälfte Miteigentümer einer Wohnung. Die andere Hälfte steht im Eigentum seiner Ehefrau. Nachdem Abmahnungen erfolglos geblieben waren, wurde in einer
Eigentümerversammlung beschlossen, gegen beide Miteigentümer der Wohnung ein gerichtliches Eigentumsentziehungsverfahren nach § 18 WEG einzuleiten und sie aufzufordern, ihr Wohnungseigentum zu veräußern.

Auch nach diesem Beschluss änderte der Miteigentümer sein auffälliges Verhalten nicht. Das Amtsgericht verurteilte schließlich beide Miteigentümer der Wohnung zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums. Bezüglich des störenden Miteigentümers ist das Urteil rechtskräftig. Der BGH hatte noch darüber zu entscheiden, ob auch die zur Hälfte an der Wohnung beteiligte Ehefrau, die sich selbst keine Störungen hat zuschulden kommen lassen, zu Veräußerung ihres Miteigentumsanteils an der Wohnung verpflichtet ist.

Entscheidung: Alle Bruchteilseigentümer müssen veräußern

Auch die Ehefrau des störenden Eigentümers ist zur Veräußerung ihres Miteigentumsanteils verpflichtet, obwohl sie selbst keinen Entziehungstatbestand verwirklicht hat.

Wenn ein Wohnungseigentum mehreren Personen – anders als hier – zur gesamten Hand zusteht, reicht das Fehlverhalten eines Eigentümers nach einhelliger Auffassung aus, um alle Eigentümer zur Veräußerung zu verpflichten.

Aber auch Wohnungseigentum in Bruchteilseigentum – wie im vorliegenden Fall – kann insgesamt entzogen werden, wenn auch nur einer der Miteigentümer einen Entziehungstatbestand nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WEG verwirklicht. Der nicht störende Miteigentümer ist aber berechtigt, die Wirkungen des Entziehungsurteils bis zur Erteilung des Zuschlags dadurch abzuwenden, dass er den Miteigentumsanteil des störenden Miteigentümers selbst erwirbt und den störenden Miteigentümer dauerhaft und einschränkungslos aus der Wohnanlage entfernt. Außerdem muss der der Eigentümergemeinschaft alle Kosten ersetzen, die dieser durch die Führung des Entziehungsprozesses und die Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens zur Durchsetzung des Entziehungsanspruchs entstanden sind.

Die Entziehungsklage nach §§ 18 und 19 WEG soll den Wohnungseigentümern eine effektive Möglichkeit geben, den Gemeinschaftsfrieden wiederherzustellen, wenn er durch das Verhalten eines Wohnungseigentümers nachhaltig gestört ist. Die Eigentümer sollen in der Lage sein, einen "Störenfried" aus der Gemeinschaft zu entfernen.
Dieser Zweck lässt sich nicht effizient erreichen, wenn der Anspruch auf Entziehung des Wohnungseigentums auf den Miteigentumsanteil des Störers beschränkt ist. Die Zwangsversteigerung des Miteigentumsanteils wird nur selten gelingen, weil das Interesse von Bietern nur an einem Anteil an einer Wohnung regelmäßig sehr gering wäre. Und wenn es Gebote auf einen Miteigentumsanteil gäbe, wäre zu erwarten, dass diese oft durch die Aussicht motiviert sind, nach der Ersteigerung des Miteigentumsanteils die Teilungsversteigerung der gesamten Wohnung betreiben zu können. In diesem Fall würde eine mit einer Beschränkung des Entziehungsanspruchs auf den Miteigentumsanteil des Störers beabsichtigte Schonung des nicht störenden Miteigentümers im Ergebnis nicht erreicht, weil das Wohnungseigentum am Ende doch insgesamt versteigert würde. Es würde lediglich die Durchsetzung des Entziehungsanspruchs deutlich verzögert und hierdurch dessen eigentlicher Zweck, nämlich die rasche Entfernung des Störers und damit die rasche Wiederherstellung des Gemeinschaftsfriedens, erheblich gefährdet.

Auch denn der Ersteher des Miteigentumsanteils keine Teilungsversteigerung beabsichtigte, ergäbe sich nichts anderes. Dann wäre der Störer zwar nicht mehr Miteigentümer der Wohnung. Der Entziehungsanspruch zielt jedoch nicht darauf ab, die Eigentumsverhältnisse formal zu ändern, sondern darauf, den Störer aus der Anlage zu entfernen. Wenn der Entziehungsanspruch auf den Miteigentumsanteil des Störers beschränkt bliebe, wäre dieses Ziel mit der Zwangsversteigerung des Miteigentumsanteils noch nicht erreicht. Dazu käme es erst, wenn der Ersteher und der verbliebene Miteigentümer den Störer dauerhaft und ohne Einschränkung aus der Wohnung entfernen.
Der Ersteher müsste dies nach der Rechtsprechung des BGH zwar durchsetzen, der Gemeinschaftsfrieden soll nach dem Willen des Gesetzgebers aber schon unmittelbar mit der Durchsetzung des Entziehungsanspruchs wiederhergestellt werden. Dies wäre nicht möglich, wenn der Entziehungsanspruch auf einen Miteigentumsanteil beschränkt wäre. Vielmehr muss das Wohnungseigentum insgesamt entzogen werden können, wenn auch nur einer der Miteigentümer einen Entziehungstatbestand verwirklicht.

Dem schützenswerten Interesse des nicht störenden Miteigentümers am Erhalt seines Miteigentumsanteils kann dadurch Rechnung getragen werden, dass ihm die Befugnis eingeräumt wird, die Wirkung des auch gegen ihn ergehenden Entziehungsurteils in entsprechender Anwendung von § 19 Abs. 2 WEG abzuwenden. Hierfür muss er den Grund für die Entziehung vollständig beseitigen, indem er den Miteigentumsanteil des Störers erwirbt und den Störer dauerhaft aus der Anlage entfernt. Dies erfordert ein uneingeschränktes Hausverbot gegen den Störer sowie die Gewähr, dass dieses durchgesetzt wird. Ferner muss er der Gemeinschaft alle Kosten ersetzen, die durch den Entziehungsprozess und ein anschließendes Zwangsversteigerungsverfahren entstanden sind.

(BGH, Urteil v. 14.9.2018, V ZR 138/17)

Quelle: Haufe.de – Online-Redaktion –
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BGH: Sanierungspflichten in einem in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilten Altbau

Der Bundesgerichtshof hat heute über einen Rechtsstreit entschieden, in dem Wohnungs- und Teileigentümer darüber streiten, ob Feuchtigkeitsschäden im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums saniert werden müssen.


Sachverhalt:


Die Parteien bilden eine Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. Das im Jahr 1890 errichtete Gebäude wurde im Jahr 1986 in zwölf Wohnungen und drei Teileigentumseinheiten aufgeteilt. Die Kläger sind die Eigentümer der drei Teileigentumseinheiten, die sich im Souterrain des Gebäudes befinden; sie werden in der Teilungserklärung als "Laden" bzw. "Büro" bezeichnet und derzeit als Naturheilpraxis, Künstleragentur und Kommunikationsagentur genutzt. Weil die Wände dieser Einheiten Durchfeuchtungen aufweisen, holte die Wohnungseigentümergemeinschaft im Jahr 2010 ein Gutachten eines Ingenieurbüros und im Jahr 2011 ein Gutachten eines Architekten ein. Beide Gutachten ergaben dieselben Schadensursachen, nämlich eine fehlende außenseitige Sockelabdichtung, eine fehlende Horizontalsperre und im Mauerwerk eingelagerte Salze. In der Eigentümerversammlung vom 31. März 2015 wurde der zu TOP 2a gestellte Antrag der Kläger auf Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden abgelehnt. Auch der weitere Antrag zu TOP 2b, wonach die Instandsetzung durch Einbringung einer Horizontalsperre im Mauerwerk sowie Aufbringung einer Vertikalsperre auf den erdberührten Außenwänden erfolgen soll, fand keine Mehrheit. Zu TOP 2f beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.


Bisheriger Prozessverlauf:

Gegen die genannten Beschlüsse zu TOP 2a, 2b und 2f wenden sich die Kläger mit der Anfechtungsklage. Zugleich haben sie beantragt, die Beklagten zu verurteilen, den Beschlussanträgen zu TOP 2a und 2b zuzustimmen bzw. eine gerichtliche Beschlussersetzung vorzunehmen. Das Amtsgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat ihr das Landgericht stattgegeben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten erreichen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat eine Sanierungspflicht der Wohnungseigentümer angenommen und die Revision deshalb zurückgewiesen.
Der zu TOP 2a beantragte Grundlagenbeschluss über die Sanierung der Feuchtigkeitsschäden musste durch das Gericht ersetzt werden, weil die Kläger einen Anspruch auf die Sanierung des Gemeinschaftseigentums haben. Grundsätzlich muss das gemeinschaftliche Eigentum jedenfalls in einem solchen baulichen Zustand sein, dass das Sondereigentum zu dem in der Teilungserklärung vorgesehenen Zweck genutzt werden kann. Weist das Gemeinschaftseigentum gravierende bauliche Mängel auf, die die zweckentsprechende Nutzung von Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen, ist eine sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich, und einzelne Wohnungseigentümer können die Sanierung gemäß § 21 Abs. 4 WEG verlangen. Um solche Mängel geht es hier; die Innen- und Außenwände der Teileigentumseinheiten sind massiv durchfeuchtet. Die Ursache liegt in einer fehlenden Abdichtung des Gebäudes und damit im Gemeinschaftseigentum; daher ist die Sanierung (ebenso wie beispielsweise bei Mängeln des Dachs) Aufgabe aller Wohnungseigentümer. Da die Teileigentumseinheiten nach der Teilungserklärung als Büro bzw. Laden genutzt werden dürfen, müssen sie ebenso wie Wohnungen grundsätzlich dazu geeignet sein, als Aufenthaltsraum für Menschen zu dienen. Massive Durchfeuchtungen müssen die Kläger deshalb nicht hinnehmen, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten sein sollte. Entgegen der Auffassung der Revision wird der Sanierungsanspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich um Souterraineinheiten in einem Altbau handelt.

Die Sanierung ist den Beklagten auch zuzumuten. Ist der Erhalt der Gebäudesubstanz gefährdet, muss ohnehin saniert werden. Ist die Gebäudesubstanz nicht gefährdet, ließe sich die Sanierung allenfalls durch eine Änderung der Teilungserklärung vermeiden, indem der Nutzungszweck der betroffenen Einheiten geändert wird, hier etwa durch eine Änderung dahingehend, dass die Teileigentumseinheiten (nur) als Keller dienen. Ob Durchfeuchtungen einer als Keller dienenden Teileigentumseinheit unter Umständen hingenommen werden müssten, und ob unverhältnismäßige Kosten der Instandsetzung dazu führen können, dass die übrigen Wohnungseigentümer eine Anpassung der in der Teilungserklärung vorgesehenen Zweckbestimmung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG verlangen können, hat der Senat offengelassen. Denn abgesehen davon, dass ein solcher Anpassungsanspruch nicht Gegenstand des Verfahrens ist, handelte es sich um einen äußerst gravierenden Eingriff in das Eigentumsrecht der betroffenen Eigentümer, die ihre Einheiten nicht mehr - wie zuvor – als Laden oder Büro nutzen könnten. Deshalb kann eine solche Anpassung der Teilungserklärung nur als ultima ratio in Ausnahmefällen und gegen Ausgleichszahlungen in Betracht gezogen werden. Von einem solchen Ausnahmefall kann hier nicht ausgegangen werden. Nach den Feststellungen des Landgerichts lässt sich die Feuchtigkeit beheben. Die von den Klägern mit 300.000 € bezifferten Sanierungskosten sind zwar für sich genommen hoch. Es ist aber nicht ersichtlich, dass sie völlig außer Verhältnis zu dem erzielbaren Nutzen für die Gebäudesubstanz im Allgemeinen und die drei Einheiten der Kläger im Besonderen stehen. Eine "Opfergrenze" für einzelne Wohnungseigentümer ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin nicht anzuerkennen.
Die gerichtliche Beschlussersetzung musste auch im Hinblick auf den Beschlussantrag zu TOP 2b erfolgen. Auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens geht das Landgericht rechtsfehlerfrei davon aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nur das in dem Beschlussantrag vorgesehene Sanierungsverfahren ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach; die näheren Details bleiben einer fachgerechten Sanierungsplanung vorbehalten.

Schließlich ist auch den Beschlussanfechtungsklagen zu Recht stattgegeben worden. Den Wohnungseigentümern lagen nämlich schon im Zeitpunkt der Eigentümerversammlung zwei Privatgutachten vor, die die Schadensursache übereinstimmend benannt und Sanierungsmöglichkeiten aufgezeigt hatten. Die Schlussfolgerung des Landgerichts, es habe nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen, die Sanierungsanträge abzulehnen (TOP 2a und 2b) und stattdessen die Einholung eines weiteren Gutachtens zu beschließen (TOP 2f), lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Jedenfalls widersprach es ordnungsmäßiger Verwaltung, die erforderliche Sanierung mit den angefochtenen Beschlüssen weiter zu verzögern.


Vorinstanzen:

AG Hamburg – Urteil vom 7. Dezember 2015 – 11 C 22/15
LG Hamburg – Urteil vom 28. Juni 2017 – 318 S 9/16


Die maßgeblichen Vorschriften lauten:


§ 21 WEG:
Abs. 4: "Jeder Wohnungseigentümer kann eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht."
Abs. 5: "Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere:
1. (…)
2.die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (…)

Urteil vom 4. Mai 2018 - V ZR 203/17

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 04.05.2018

BGH: Kündigungsbeschränkung gemäß § 577a Abs. 1a Satz 1 BGB erfordert keine (beabsichtigte) Wohnungsumwandlung

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit den Voraussetzungen der in § 577a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 BGB vorgesehenen Kündigungsbeschränkung (Sperrfrist) beim Erwerb vermieteten Wohnraums durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts beschäftigt.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Der inzwischen über 70 Jahre alte Beklagte zu 1 hat im Jahr 1981 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Vierzimmer-Altbauwohnung in Frankfurt am Main (Westend) gemietet, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seiner Tochter bewohnt. Die Nettomiete für die 160 qm große Wohnung beläuft sich zwischenzeitlich auf 856,25 € monatlich.
Die Klägerin ist eine aus drei Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Januar 2015 als Eigentümerin und Vermieterin in den Mietvertrag eingetreten ist. Mit Schreiben vom Mai 2015 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und begründete dies mit dem Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter. Dieser habe sich von seiner Ehefrau getrennt und benötige als erfolgreicher Immobilienunternehmer repräsentative Wohnräume in entsprechender Wohnlage in der Nähe eines seiner Büros. Die in dem Kündigungsschreiben im Einzelnen beschriebenen leerstehenden Wohnungen in den zahlreichen Liegenschaften in Frankfurt am Main und Umgebung, an denen dieser als Gesellschafter beteiligt sei, kämen insoweit allesamt nicht in Betracht.
Der Beklagte zu 1 widersprach der Kündigung und verlangte die Fortsetzung des Mietverhältnisses. Er machte Härtegründe für sich und seine Familie geltend und zog den von der Klägerin geltend gemachten Eigenbedarf ihres Gesellschafters in Zweifel.
Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage blieb in allen Instanzen schon deshalb ohne Erfolg, weil die Klägerin die Kündigungssperrfrist des § 577a Abs. 1 BGB nicht eingehalten hatte.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Kündigungsbeschränkung nach § 577a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 BGB nicht erfordert, dass über die im Tatbestand dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen - hier die Veräußerung des vermieteten Wohnraums an eine Personengesellschaft nach Überlassung an den Mieter - hinaus zumindest die Absicht des Erwerbers besteht, den vermieteten Wohnraum in Wohnungseigentum umzuwandeln.

Vorliegend wäre es der Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwar an sich möglich, sich im Anschluss an ihren Eintritt in den Mietvertrag in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf einen Eigenbedarf ihres Gesellschafters zu berufen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 14. Dezember 2016 – VIII ZR 232/15; Pressemitteilung Nr. 225/2016). Ob im Streitfall ein solcher Eigenbedarf allerdings - was die Beklagten in Abrede gestellt haben – überhaupt in Betracht kam, hat das Berufungsgericht offen lassen können, da die von der Klägerin im Mai 2015 ausgesprochene Kündigung bereits wegen Nichtbeachtung der Sperrfrist nach § 577a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB unwirksam war. Denn trotz der Überschrift des § 577a BGB ("Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung") gilt der darin vorgesehene Schutz des Mieters nach dem Willen des Gesetzgebers beim Erwerb vermieteten Wohnraums durch Personengesellschaften unabhängig davon, ob Wohnungseigentum begründet wird oder werden soll.

Mit der Einführung des § 577a Abs. 1a BGB war zwar insbesondere beabsichtigt, die faktische Umgehung des in § 577a Abs. 1 BGB vorgesehenen Kündigungsschutzes bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nach dem sogenannten "Münchener Modell" zu unterbinden. Bei diesem verzichtet eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Miteigentümergemeinschaft nach dem Erwerb des mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks zunächst auf die Begründung von Wohnungseigentum und den anschließenden Verkauf von Eigentumswohnungen an Interessenten. Stattdessen kündigt sie den betreffenden Mietwohnraum wegen Eigenbedarfs ihrer Gesellschafter oder der Miteigentümer und umgeht so die Kündigungssperre des § 577a Abs. 1 BGB. Mit der eingefügten Neuregelung des § 577a Abs. 1a BGB wollte der Gesetzgeber jedoch nicht allein Umgehungen der Sperrfrist nach dem "Münchener Modell" entgegenwirken, sondern ausdrücklich auch etwaigen neuen Umgehungstatbeständen vorbeugen. Deshalb hat er für ein Eingreifen der Sperrfrist jede Veräußerung eines mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder an mehrere Erwerber ausreichen lassen, da sich nach seiner Einschätzung bereits hierdurch das Verdrängungsrisiko für den Mieter erhöht und dieser insoweit eines Schutzes bedarf.

§ 577a Abs. 1a BGB verstößt auch nicht gegen höherrangiges Verfassungsrecht. Bei ihrer gegenteiligen Auffassung übersieht die Klägerin, dass neben der Rechtsposition des Vermieters auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) geschützt ist. Den insoweit zum Schutz des Mieters erforderlichen Eingriff in die Eigentumsrechte des Vermieters hat der Gesetzgeber mit der Kündigungssperrfrist in § 577a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1a Satz 1 BGB dabei auf das erforderliche Maß beschränkt und etwa davon abgesehen, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich zu verwehren, sich entsprechend § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines Gesellschafters zu berufen. Ebenso wenig verletzt es das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG), dass nach § 577a Abs. 1a Satz 1 BGB nur der Erwerb durch eine Personengesellschaft oder -mehrheit, nicht aber durch eine Einzelperson die Sperrfrist auslöst. Denn es liegt auf der Hand, dass sich mit jeder weiteren Person, deren Eigenbedarf dem Mieter gegenüber geltend gemacht werden kann, die Wahrscheinlichkeit für den Mieter erhöht, auch tatsächlich wegen Eigenbedarfs in Anspruch genommen zu werden.

Nach alledem hat der Senat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. […]
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
[…]
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt […]

§ 577a BGB Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung

(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen.
(1a) 1Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter
1. an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist […]


Vorinstanzen:

Amtsgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 8. September 2016 - 33 C 1201/16 (57)
Landgericht Frankfurt am Main - Urteil vom 11. April 2017 - 2-11 S 292/16

Urteil vom 21. März 2018 - VIII ZR 104/17

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 21.03.2018

BGH: Trittschallschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

Der Bundesgerichtshof hat heute über einen Rechtsstreit entschieden, in dem eine Wohnungseigentümerin von den benachbarten Wohnungseigentümern verlangt hat, dass diese nach einer Modernisierung ihres Badezimmers den Schallschutz verbessern.

Sachverhalt:

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Anlage wurde im Jahr 1990 errichtet. Die Wohnung der Beklagten liegt über der der Klägerin. Bei einer Modernisierung ihres Badezimmers im Jahr 2012 ließen die Beklagten den Estrich vollständig entfernen und eine Fußbodenheizung einbauen. Ferner wurden der Fliesenbelag sowie sämtliche Sanitärobjekte erneuert und eine Steigleitung unter Putz verlegt. Gestützt auf die Behauptung, der Schallschutz habe sich durch die Baumaßnahme verschlechtert, verlangt die Klägerin, dass die Beklagten bestimmte Schallschutzmaßnahmen in näher bezeichneter Ausführung vornehmen; hilfsweise will sie der Sache nach erreichen, dass die Beklagten ein Schallschutzniveau herstellen, das dem technischen Stand zur Zeit der Sanierung im Jahr 2012 entspricht (Trittschallschutz gemäß Schallschutzstufe III der Richtlinie VDI 4100:2012-10: <=37 dB, hilfsweise Schallschutzstufe II der genannten Richtlinie: <= 44 dB).

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage nur insoweit stattgegeben, als die Beklagten eine Trittschalldämmung und einen schwimmenden Estrich nach näheren Vorgaben wiederherstellen sollen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil geändert und die Beklagten verurteilt, durch geeignete bauliche Maßnahmen im Bereich des Badezimmers eine Trittschalldämmung dergestalt zu schaffen, dass der Trittschall 46 dB (gemäß Beiblatt 2 zur DIN 4109 aus dem Jahr 1989) nicht übersteigt. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre weitergehenden Hilfsanträge. Da die Beklagten die Verurteilung hinnehmen, war im Wesentlichen darüber zu entscheiden, ob die Klägerin verlangen kann, dass ein besserer Trittschallschutz als bislang zugesprochen (<=46 dB) hergestellt wird.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision zurückgewiesen, weil das Landgericht weitergehende Ansprüche der Klägerin gemäß § 15 Abs. 3 WEG ohne Rechtsfehler verneint hat.

Für das Revisionsverfahren war davon auszugehen, dass der Estrich der Dämmung und Isolierung diente und daher Teil des Gemeinschaftseigentums war. Infolgedessen haben die Beklagten ohne Zustimmung der Klägerin eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG vorgenommen, indem sie den Estrich entfernt und den Bodenaufbau sodann erneuert haben. Welche Pflichten bei einer solchen Maßnahme hinsichtlich des Schallschutzes zu beachten sind, ergibt sich aus § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Entscheidend war daher, ob der Klägerin ein solcher Nachteil entstanden ist. Insoweit hatte der Bundesgerichtshof bereits in der Vergangenheit geklärt, dass sich der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz grundsätzlich nach den Mindestanforderungen der DIN 4109 in der zur Zeit der Gebäudeerrichtung geltenden Ausgabe richtet, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt wird (etwa Parkett statt Teppichboden), also das Sonder- und nicht das Gemeinschaftseigentum verändert wird.

Ausdrücklich offen geblieben war bislang, ob dieselben Maßstäbe gelten, wenn bei der Erneuerung des Bodenbelags auch (wie hier) in den Estrich oder in die Geschossdecke eingegriffen wird. Zu trennen sind dabei zwei Fragen: nämlich erstens, ob für den Schallschutz die im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes oder die im Zeitpunkt der Baumaßnahme geltenden technischen Vorgaben heranzuziehen sind, und zweitens, welchen konkreten technischen Vorgaben das zu gewährende Schallschutzniveau zu entnehmen ist.

Zu der ersten Frage hat der Bundesgerichtshof nun entschieden, dass es sich nach dem Gewicht des Eingriffs in die Gebäudesubstanz richtet, ob die im Zeitpunkt der Baumaßnahme geltenden technischen Anforderungen an den Schallschutz einschlägig sind. Allein aus dem Umstand, dass bei Renovierungsarbeiten in das gemeinschaftliche Eigentum eingegriffen wird, ergibt sich kein überzeugender Grund dafür, dass die im Zeitpunkt der Maßnahme anerkannten Schallschutzwerte maßgeblich sein sollen. Ein Wohnungseigentümer, der Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum vornimmt, ist im Grundsatz zwar zu dessen Wiederherstellung, aber nicht zu einer "Ertüchtigung" verpflichtet. Wird allerdings – etwa durch einen nachträglichen Dachgeschossausbau - in erheblichen Umfang in die Gebäudesubstanz eingegriffen, entsteht bei den übrigen Wohnungseigentümern die berechtigte Erwartung, dass bei dem Umbau des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums insgesamt die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte beachtet werden. Dagegen kann bei Sanierungsmaßnahmen, die der üblichen Instandsetzung oder (ggf. zugleich) der Modernisierung des Sondereigentums dienen, im Grundsatz ein verbessertes Schallschutzniveau nicht beansprucht werden, so dass unverändert die bei Errichtung des Gebäudes geltenden technischen Standards maßgeblich sind. Um eine solche typische Sanierungsmaßnahme handelt es sich in aller Regel auch dann, wenn – wie hier - bei der Sanierung eines vorhandenen Badezimmers in den Estrich eingegriffen wird.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Schallschutzwerte ist danach derjenige der Gebäudeerrichtung. Die oben angesprochene zweite Frage nach dem konkret einzuhaltenden Schallschutzniveau (auf dem technischen Stand bei Gebäudeerrichtung) stellt sich in diesem Verfahren nicht mehr, weil die Verurteilung der Beklagten zur Einhaltung der (über die Mindeststandards hinausgehenden) in Beiblatt 2 zur DIN 4109 aus dem Jahr 1989 vorgeschlagenen erhöhten Schallschutzwerte rechtskräftig geworden ist. Ein darüber hinausgehendes Schallschutzniveau auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 4100 aus dem Jahr 2012 kann die Klägerin jedenfalls nicht beanspruchen.

Vorinstanzen:

AG Hamburg-Harburg – Urteil vom 9. Oktober 2015 – 643 C 205/13 WEG
LG Hamburg – Urteil vom 26. Oktober 2016 – 318 S 10/16 WEG

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 14 Pflichten des Wohnungseigentümers

Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet:
1. die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst; (….)

§ 15 WEG Gebrauchsregelung

(3) Jeder Wohnungseigentümer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der (…) dem Gesetz (…) entspricht.

§ 22 Besondere Aufwendungen, Wiederaufbau

(1) Bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, können beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Die Zustimmung ist nicht erforderlich, soweit die Rechte eines Wohnungseigentümers nicht in der in Satz 1 bezeichneten Weise beeinträchtigt werden.


Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 16.03.2018

BGH: Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen Beschädigung der Mietwohnung erfordert keine vorherige Fristsetzung zur Schadensbeseitigung

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, ob ein Vermieter von seinem Mieter Ersatz für Schäden an der Mietsache nur verlangen kann, wenn er ihm zuvor eine angemessene Frist zur Schadensbeseitigung gesetzt hat.


Sachverhalt und Prozessverlauf:


Der Beklagte war für mehr als sieben Jahre Mieter einer Wohnung des Klägers in Hohenroth. Nach einvernehmlicher Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Wohnung verlangte der Kläger vom Beklagten Schadensersatz, weil dieser insbesondere wegen Verletzung von Obhuts- und Sorgfaltspflichten für verschiedene Beschädigungen der Wohnung verantwortlich sei. Eine Frist zu Beseitigung der betreffenden Schäden hatte er dem Beklagten zuvor nicht gesetzt.
Die auf diesen Schadensersatz gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen in Höhe von 5.171 Euro nebst Zinsen Erfolg. Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts schuldet der Beklagte dem Kläger diesen Schadensersatz wegen eines von dem Beklagten zu verantwortenden Schimmelbefalls in mehreren Räumen, wegen mangelnder Pflege der Badezimmerarmaturen und eines Lackschadens an einem Heizkörper sowie wegen eines schadensbedingt fünfmonatigen Mietausfalls. Dabei ist das Berufungsgericht nicht der Auffassung des Beklagten gefolgt, wonach Schadensersatz nur nach dem erfolglosen Ablauf einer ihm vorliegend nicht gesetzten Frist zur Schadensbeseitigung hätte verlangt werden können. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.


Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein vom Vermieter wegen Beschädigung der Mietsache geltend gemachter Schadensersatzanspruch keine vorherige Fristsetzung zur Schadensbeseitigung gegenüber dem Mieter voraussetzt.
Denn das in § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB als Anspruchsvoraussetzung vorgesehene Fristsetzungserfordernis gilt nur für die Nicht- oder Schlechterfüllung von Leistungspflichten (§ 241 Abs. 1 BGB) durch den Schuldner. In diesen Fällen muss der Gläubiger dem Schuldner grundsätzlich zunächst eine weitere Gelegenheit zur Erfüllung seiner Leistungspflicht geben, bevor er (statt der geschuldeten Leistung) Schadensersatz verlangen kann. Als eine derartige Leistungspflicht hat der Bundesgerichtshof etwa die vom Mieter wirksam aus dem Pflichtenkreis des Vermieters übernommene Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen angesehen.

Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch entsprechenden Zustand zu halten und insbesondere die Räume aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln, um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB). Deren Verletzung begründet einen Anspruch des Geschädigten auf Schadensersatz (neben der Leistung) bereits bei Vorliegen der in § 280 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen. Daher kann ein Vermieter bei Beschädigungen der Mietsache vom Mieter gemäß § 249 BGB nach seiner Wahl statt einer Schadensbeseitigung auch sofort Geldersatz verlangen, ohne diesem zuvor eine Frist zur Schadensbehebung gesetzt zu haben. Dies gilt - entgegen einer im mietrechtlichen Schrifttum teilweise vorgenommenen Unterscheidung - auch unabhängig davon, ob ein Vermieter einen entsprechenden Schadensersatz bereits vor oder (wie hier) erst nach der in § 546 Abs. 1 BGB geregelten Rückgabe der Mietsache geltend macht. Denn § 546 Abs. 1 BGB trifft weder eine Regelung darüber, in welchem Zustand die Mietsache zurückzugeben ist, noch dazu, unter welchen Voraussetzungen Schadensersatz zu leisten ist. Der Bundesgerichtshof hat deshalb die Revision des Beklagten zurückgewiesen.


Die maßgeblichen Vorschriften lauten:


§ 241 BGB Pflichten aus dem Schuldverhältnis

(1) 1Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. […]
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.


§ 249 BGB Art und Umfang des Schadensersatzes

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) 1Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. […]


§ 280 BGB Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) 1Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. […]
[…]
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.


§ 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung

(1) 1Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. […]


§ 546 Rückgabepflicht des Mieters

(1) Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.
[…]


Vorinstanzen:

Amtsgericht Bad Neustadt a.d. Saale - Urteil vom 6. Oktober 2016 - 1 C 471/12
Landgericht Schweinfurt - Urteil vom 30. Juni 2017 - 22 S 2/17

Urteil vom 28. Februar 2018 - VIII ZR 157/17

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 28.02.2018

Bundesgerichtshof zur Räum- und Streupflicht des Vermieters

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Die Beklagte ist Eigentümerin eines Anwesens in der Innenstadt von München, in welchem eine Wohnung an die frühere Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau des Klägers vermietet war. Zwischen den Parteien steht nicht in Streit, dass die Räum- und Streupflicht (Winterdienst) für den Gehweg vor dem Grundstück der Beklagten grundsätzlich bei der Stadt München, der Streithelferin der Beklagten, liegt.

Am 17. Januar 2010 stürzte der Kläger gegen 9.10 Uhr beim Verlassen des Wohnhauses auf einem schmalen von der Streithelferin nicht geräumten Streifen des öffentlichen Gehwegs im Bereich des Grundstückseingangs vor dem Anwesen der Beklagten. Hierbei zog er sich Frakturverletzungen am rechten Knöchel zu. Die Streithelferin hatte den Gehweg mehrfach geräumt und gestreut, wenn auch nicht auf der ganzen Breite und auch nicht bis zur Schwelle des unmittelbar an den Gehweg angrenzenden Anwesens der Beklagten. Die Beklagte wiederum hatte keine Schneeräumarbeiten auf dem Gehweg vorgenommen, weil sie ihrer Meinung nach dazu nicht verpflichtet war.

Die auf Zahlung materiellen Schadensersatzes in Höhe von 4.291,20 €, eines angemessenen Schmerzensgeldes (jeweils nebst Zinsen) sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfall gerichtete Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.


Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Vermieter und Grundstückseigentümer, dem die Gemeinde nicht (als Anlieger) die allgemeine Räum- und Streupflicht übertragen hat, regelmäßig nicht verpflichtet ist, auch über die Grundstücksgrenze hinaus Teile des öffentlichen Gehwegs zu räumen und zu streuen.

Zwar ist ein Vermieter aus dem Mietvertrag (in dessen Schutzbereich vorliegend auch der Kläger als Lebensgefährte der Mieterin einbezogen war) verpflichtet, dem Mieter während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache und damit auch den Zugang zum Mietobjekt zu gewähren (§ 535 Abs. 1 BGB). Dazu gehört es grundsätzlich auch, die auf dem Grundstück der vermieteten Wohnung befindlichen Wege, insbesondere vom Hauseingang bis zum öffentlichen Straßenraum, zu räumen und zu streuen. Die gleiche Pflicht trifft den Eigentümer eines Grundstücks im Übrigen auch im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB) etwa gegenüber Mietern, Besuchern und Lieferanten.

Vorliegend ist der Kläger allerdings nicht auf dem Grundstück, sondern auf dem öffentlichen Gehweg gestürzt. Die dem Vermieter seinen Mietern gegenüber obliegende (vertragliche) Verkehrssicherungspflicht beschränkt sich jedoch regelmäßig auf den Bereich des Grundstücks. Entsprechendes gilt für die allgemeine (deliktische) Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers, sofern die Räum- und Streupflicht für den öffentlichen Gehweg von der Gemeinde nicht auf die Eigentümer (Anlieger) übertragen ist. Im Streitfall lag die Verkehrssicherungspflicht für den öffentlichen Gehweg vor dem Anwesen indes bei der Streithelferin und nicht bei der insoweit vom Winterdienst befreiten Beklagten.

Eine Ausweitung der betreffenden Verkehrssicherungspflicht über die Mietsache beziehungsweise über das Grundstück hinaus kommt demgegenüber allenfalls ausnahmsweise bei Vorliegen ganz außergewöhnlicher Umstände in Betracht, die im Streitfall aber nicht gegeben waren. Das Berufungsgericht hat es daher mit Recht als dem Kläger zumutbar angesehen, mit der gebotenen Vorsicht den schmalen, nicht geräumten Streifen des Gehwegs zu überqueren, um zu dem (durch die Streithelferin) von Schnee und Eis befreiten Bereich zu gelangen. Der Senat hat die Revision des Klägers deshalb zurückgewiesen.


Die maßgeblichen Vorschriften lauten:


§ 535 BGB Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrages

(1) 1Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. 2Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. […]


§ 823 BGB Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
[…]


Urteil vom 21. Februar 2018 - VIII ZR 255/16

Vorinstanzen:

LG München - Urteil vom 14. Januar 2016 – 2 O 28823/13
OLG München - Urteil vom 6. Oktober 2016 – 1 U 790/16


Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 21.02.2018

Haufe.de: Landgericht Berlin hält Mietpreisbremse für verfassungswidrig

Die Mietpreisbremse ist nach Meinung des LG Berlin verfassungswidrig. Zu einer endgültigen Klärung dieser Frage durch das Bundesverfassungsgericht wird es vorerst aber nicht kommen.


Die 67. Zivilkammer des LG Berlin hält § 556d BGB, der die Mietpreisbremse regelt, für verfassungswidrig. In einem Hinweisbeschluss vertreten die Berliner Richter die Auffassung, die Mietpreisbremse, die an die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete anknüpft, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Mietpreise innerhalb Deutschlands seien sehr unterschiedlich. So belaufe sich die ortsübliche Vergleichsmiete in München auf ca. 12 Euro/Quadratmeter, während sie in Berlin ca. 7 Euro/Quadratmeter betrage. Dies sei ein Unterschied von über 70 Prozent. Damit habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten wesentlich ungleich treffe. Das sei weder durch den Gesetzeszweck noch sonstige Gründe gerechtfertigt.

Ferner würden Vermieter, die schon in der Vergangenheit eine nach dem Maßstab der Mietpreisbremse zu hohe Miete (mehr als 10 Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete) vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt. Es sei nicht zu rechtfertigen, dass diese Vermieter bei einer Neuvermietung die bisherige Miete weiterhin verlangen dürften. Vermieter, die bei der Miethöhe bisher moderat agiert hätten, würden gegenüber solchen Vermietern benachteiligt, die in der Vergangenheit die maximal mögliche Miete verlangt und dadurch zur Wohnraumknappheit für Geringverdiener beigetragen hätten.


In dem Beschluss kündigte das Gericht auch an, sein Verfahren auszusetzen und die Frage zunächst dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Hierzu kommt es aber nicht, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse im konkreten Verfahren letztendlich nicht entscheidungserheblich war.

Mit ihrer Auffassung stellen sich die Richter der 67. Zivilkammer gegen ihre Kollegen von der 65. Zivilkammer. Diese hatten im März ausgeführt,
gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung zur Mietpreisbremse in § 556d Abs. 2 BGB bestünden keine Bedenken.
(
LG Berlin, Hinweisbeschluss v. 14.9.2017, 67 S 149/17)

Reaktionen der Immobilienverbände

Das Echo der Immobilienverbände auf den Beschluss des LG Berlin ist gespalten.

Der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland begrüßt die Auffassung der Berliner Richter und fordert, die Mietpreisbremse abzuschaffen. So sehen dies auch der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), der dem Beschluss „bundesweite Signalwirkung“ beimisst, der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) und der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA).

Der Deutsche Mieterbund verweist hingegen darauf, dass allein das Bundesverfassungsgericht gesetzliche Regelungen für verfassungswidrig erklären könne und verleiht dem Beschluss des LG Berlin das Prädikat „Viel Lärm um nichts“.

Auch andere Gerichte halten Mietpreisbremse für unwirksam

Vor dem LG Berlin hatten bereits
das AG München und das AG Hamburg-Altona die Mietpreisbremse für unwirksam angesehen. Die Amtsgerichte stellten allerdings nicht – wie nun das LG Berlin - die Vorschrift im BGB, die Grundlage für die Regelungen der Bundesländer ist, in Frage. Sie hielten vielmehr die Landesverordnungen, mit denen die von der Mietpreisbremse konkret erfassten Gebiete festgelegt werden, mangels ordnungsgemäßer Begründung für unwirksam.

Wahlkampfthema Mietpreisbremse
Die Zukunft der Mietpreisbremse ist auch Thema im Bundestagswahlkampf. Während die CDU eine Verschärfung ablehnt und die FDP für eine Abschaffung plädiert, fordern SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke in unterschiedlichen Ausprägungen eine Verschärfung.

Quelle: Haufe.de Online Redaktion vom 20.09.2017 –
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BGH: Kinderlärm ist normalerweise zulässig – aber nicht grenzenlos

In einem Mehrfamilienhaus sind gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen durch Kinderlärm grundsätzlich hinzunehmen. Allerdings gibt es Grenzen, die von den Umständen des Einzelfalls abhängen.


Hintergrund

Die Mieterin einer Wohnung verlangt vom Vermieter die Beseitigung von Lärmstörungen, die Feststellung eines Minderungsrechts sowie die Rückzahlung von unter Vorbehalt gezahlter Miete. Die Erdgeschosswohnung befindet sich in einem Achtfamilienhaus, das um 1900 erbaut wurde. 2012 zog in die darüberliegende Wohnung im ersten Obergeschoss eine Familie mit zwei kleinen Kindern ein.

Die Mieterin moniert, dass es seit dem Einzug der Familie aus der Wohnung fast täglich zu massiven Lärmstörungen durch Stampfen, Springen und Poltern sowie Schreie und sonstige lautstarke Auseinandersetzungen komme. Die Störungen hat sie teilweise in detaillierten Lärmprotokollen festgehalten. Die Mieterin macht eine Minderung von 50 Prozent geltend.

Vor Amts- und Landgericht blieb die Klage ohne Erfolg. Die Gerichte meinten, Kinderlärm sei zwar nicht in jeglicher Form und Intensität hinzunehmen. Grundsätzlich sei vielmehr bei jeder Art von Lärm einschließlich Kinderlärm auf die Belange und das Ruhebedürfnis der Nachbarn Rücksicht zu nehmen, wobei die Erziehungsberechtigten auch verpflichtet seien, Kinder zu einem rücksichtsvollen Verhalten bezüglich ihrer Bewegungen und akustischen Äußerungen anzuhalten. Das zulässige Maß sei hier aber nicht überschritten. Es sei normal, dass Kleinkinder rennen und fest auftreten, auch wenn dies in der Wohnung darunter als Stampfen empfunden werde. Auch könnten sich Kleinkinder nicht differenziert äußern, sondern bedienten sich akustischer Äußerungen, die andere Personen als Schreien oder Brüllen wahrnehmen. Soweit in den Lärmprotokollen ein Brüllen des Vaters verzeichnet sei, sei dies meistens darauf gerichtet gewesen, die Kinder zur Ruhe zu ermahnen. Dies zeige, dass die Nachbarn ihre Kinder gerade zu rücksichtvollem Verhalten anhalten wollten. Die lautstarken Äußerungen der Erwachsenen seien zwar nicht pädagogisch wertvoll, aber noch als sozial adäquat zu akzeptieren.

Entscheidung

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Das Landgericht hätte den Beanstandungen der Mieterin nachgehen müssen und die geschilderten Einwirkungen nicht ohne Weiteres als sozialadäquat einstufen dürfen.

In einem Mehrfamilienhaus sind gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen durch Lärm grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen. Sie begründen nicht ohne Weiteres einen Mangel. Dazu zählt auch üblicher Kinderlärm, den das Immissionsschutzrecht grundsätzlich als zumutbar behandelt. Andererseits hat die insoweit zu fordernde erhöhte Toleranz auch Grenzen. Diese sind im Einzelfall zu bestimmen. Dabei kommt es auf Art, Qualität, Dauer und Zeit der Geräusche sowie das Alter und den Gesundheitszustand des Kindes an. Ferner ist zu berücksichtigen, inwieweit sich die Geräuschimmissionen vermeiden lassen, etwa durch erzieherische Einwirkung auf das Kind oder durch bauliche Maßnahmen.

Das Landgericht ist zwar auch von diesem Ansatz ausgegangen, hat aber wesentliches Vorbringen der Mieterin, die die Einwirkungen sehr detailliert beschrieben hat, übergangen. Nach dem Vortrag der Mieterin und den vorgelegten Lärmprotokollen war das zulässige Maß an Lärm überschritten. Dabei hätte die Mieterin
nicht einmal Lärmprotokolle vorlegen müssen, um die Geräuschbelastung ausreichend darzulegen.

Das Landgericht muss nun vor einer erneuten Entscheidung über den Fall Beweis erheben. Außer der Vernehmung von Zeugen könnte noch ein Ortstermin in Frage kommen, damit sich das Gericht ein eigenes Bild von der Situation vor Ort machen kann; eventuell muss das Gericht auch einen Sachverständigen beiziehen, um zu klären, wie hellhörig das Haus wirklich ist.
(BGH, Beschluss v. 22.8.2017, VIII ZR 226/16)

Quelle: Haufe.de Online Redaktion vom 12.09.2017 –
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BGH: Betriebskostenabrechnung ist nicht fehlerhaft, weil Mieter blättern muss

Eine Betriebskostenabrechnung ist nicht deshalb formell fehlerhaft, weil der Mieter hin- und herblättern muss, um die auf mehrere Seiten verteilten Rechenschritte nachvollziehen zu können.


Hintergrund: Betriebskostenabrechnung mehrstufig aufgebaut

Die Vermieter einer Wohnung verlangen vom Mieter die Nachzahlung von Betriebskosten aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2013 und 2014.

Die Abrechnungen bestehen jeweils aus mehreren Seiten. Jeweils auf der ersten Seite werden 15 genau bezeichnete Kostenpositionen mit den darauf für das gesamte Anwesen jährlich entfallenden Beträgen unter den Ziffern 1 bis 15 aufgelistet.


Auf der zweiten Seite werden diese Kosten jeweils unter Angabe der Ziffern von der ersten Seite einer von vier Umlagearten (A: Wohnfläche/Nutzfläche; B: Einzelverbrauch nach Kaltwasseruhren; C: Laden- bzw. Wohneinheiten; D: Einzelabrechnung Techem) zugeordnet. Im Anschluss sind die auf die jeweilige Umlageart entfallenden Gesamtbeträge mit Ausnahme der Techem-Abrechnung angegeben; die Techem-Abrechnung über die Heiz- und Warmwasserkosten ist jeweils separat beigefügt.

Auf der darauffolgenden Seite sind schließlich - nun mit Gliederungspunkten 1 bis 4 bezeichnet und zusätzlich inhaltlich beschrieben - die nach den vier Umlagearten jeweils anteilig auf den Mieter entfallenden Beträge aufgeführt und addiert. 

Das Landgericht war der Meinung, die Abrechnungen seien zu kompliziert und daher formell nicht ordnungsgemäß. Weil der Mieter hin- und herblättern müsse, um die Abrechnung nachvollziehen zu können und die Umlagearten zunächst mit A bis D und auf der nächsten Seite mit 1 bis 4 bezeichnet seien, seien die Abrechnungen nicht aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar. Zudem fehle es an einer Erläuterung, warum Position 14 (Treppenhausreinigung) nicht wie die davor aufgelisteten Positionen nach Wohnfläche, sondern nach Wohneinheiten umgelegt werde.

Entscheidung: Keine hohen Anforderungen an Betriebskostenabrechnung

Die Betriebskostenabrechnungen sind formell ordnungsgemäß, so der BGH.

Eine Betriebskostenabrechnung ist formell ordnungsgemäß, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Dabei sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Entscheidend ist allein, ob es die Angaben in der Betriebskostenabrechnung dem Mieter ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen.

Soweit keine besonderen Abreden getroffen sind, sind daher in die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen:
  • Zusammenstellung der Gesamtkosten, 
  • Angabe und - soweit erforderlich - die Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, 
  • Berechnung des Anteils des Mieters 
  • Abzug der geleisteten Vorauszahlungen

Die vorliegenden Abrechnungen erfüllen diese Anforderungen. Notwendig, aber auch ausreichend ist es, dass der Mieter die ihm angelasteten Kosten bereits aus der Abrechnung klar ersehen und überprüfen kann, so dass die Einsichtnahme in dafür vorgesehene Belege nur noch zur Kontrolle und zur Beseitigung von Zweifeln erforderlich ist.

Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass der Mieter hier, um die auf der dritten Seite der Abrechnung auf ihn entfallenden Kostenanteile nachzuvollziehen, auf die beiden vorhergehenden Seiten zurückblättern und die auf drei Seiten enthaltenen Angaben gedanklich zusammenführen muss. Denn die Zusammenhänge erschließen sich bei verständigem Lesen ohne Weiteres auch einem Laien.

Es ist auch unschädlich, dass die auf den Mieter entfallenden Anteile nur zusammengefasst nach Umlageschlüsseln und nicht für alle 15 Kostenpositionen getrennt ausgewiesen werden. (Hierzu 
BGH: Vermieter muss nicht von jeder Betriebskostenart die Summe bilden)

Die Nachvollziehbarkeit der Abrechnungen wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass nicht erläutert wird, warum die Treppenhausreinigung nach Wohneinheiten anstatt nach Wohnfläche umgelegt wird. Er reicht aus, wenn für den Mieter erkennbar ist, welchen Umlageschlüssel der Vermieter angewendet hat. Ob der Schlüssel der richtige ist, ist ausschließlich eine inhaltliche Frage.

(BGH, Urteil v. 19.7.2017, VIII ZR 3/17)
Quelle: Haufe.de Online Redaktion vom 14.08.2017 –
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Haufe.de: Wärmedämmung an Neubau darf nicht über die Grenze ragen

Ein Grundstückseigentümer muss eine grenzüberschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand des Nachbarhauses nicht dulden, wenn hierdurch Anforderungen der EnEV erfüllt werden, die beim Bau des Gebäudes schon gegolten haben.


Hintergrund: Dämmung ragt über die Grenze

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen vom Grundstücksnachbarn die Duldung von Baumaßnahmen.

Auf dem Grundstück des Nachbarn befindet sich ein Reihenendhaus, das an der Grenze zum WEG-Grundstück steht. An dieses Gebäude hatte ein Bauträger 2004/2005 das heute den Wohnungseigentümern gehörende Mehrfamilienhaus angebaut. Die Giebelwand des Mehrfamilienhauses steht entlang der Grundstücksgrenze gut eineinhalb Meter vor. In diesem Bereich der Giebelwand brachte der Bauträger im August 2005 eine Dämmung an, die sieben Zentimeter in das Nachbargrundstück hineinragt. Die Dämmung ist nicht verputzt und nicht gestrichen. Dies wollen die Wohnungseigentümer nachholen und Putz sowie einen Anstrich von 0.5 Zentimetern Dicke aufbringen. Hierbei stützen sie sich auf § 16a des Berliner Nachbargesetzes (NachbG Bln), der folgenden Wortlaut hat:


§ 16a NachbG Bln Wärmeschutzüberbau der Grenzwand
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks hat die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden, wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht.
[…]
(3) Der Begünstigte des Wärmeschutzüberbaus muss die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen und funktionsgerechten Zustand erhalten. Er ist zur baulichen Unterhaltung der wärmegedämmten Grenzwand verpflichtet.
Der Nachbar weigert sich, die beabsichtigte Maßnahme zu dulden.

Entscheidung: Ausnahme gilt nur für Altbauten

Die Duldungsklage hat keinen Erfolg. Die Wohnungseigentümer können sich in diesem Fall nicht auf § 16a NachbG Bln berufen.
Die dort geregelte Duldungspflicht gilt nicht für eine die Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand, mit der der benachbarte Grundstückseigentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllt.
Der Landesgesetzgeber wollte Grundstückseigentümern nicht generell gestatten, eine Wärmedämmung grenzüberschreitend, also im Wege des Überbaus, anzubringen. Ziel der Regelung ist vielmehr, energetische Sanierungen von Altbauten zu erleichtern. Diese wurden bei Gebäuden, die auf der Grundstücksgrenze stehen, häufig dadurch erschwert, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu dem durch die Verkleidung der Grenzwand mit einem Wärmeverbundsystem entstehenden Überbau verweigerte oder von unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte. Dem sollte durch die Einführung einer Duldungspflicht begegnet werden.
Für Neubauten gilt die Duldungspflicht nicht, weil die Anforderungen der EnEV bereits bei der Planung berücksichtigt werden können. Neubauten sind so zu planen, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet.
Das hat der Bauträger bei Errichtung des Gebäudes 2004/2005 nicht beachtet. Er hat trotz der Anforderungen der EnEV das ungedämmte Mehrfamilienhaus unmittelbar an die Grenze zum Nachbargrundstück gebaut. In dieser Situation gilt die Duldungspflicht des Nachbarn nach § 16a Abs. 1 NachbG Bln nicht.

(BGH, Urteil v. 2.6.2017, V ZR 196/16)

Quelle: Haufe.de Online Redaktion vom 02.06.2017 –
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BGH: Heckenhöhe bei Grundstücken in Hanglage

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass bei einer Grenzbepflanzung eines Grundstücks, das tiefer liegt als das Nachbargrundstück, die nach den nachbarrechtlichen Vorschriften (hier: Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB) zulässige Pflanzenwuchshöhe von dem höheren Geländeniveau des Nachbargrundstücks aus zu messen ist.

Sachverhalt:


Die Parteien sind Eigentümer aneinandergrenzender Grundstücke in Hanglage in Bayern. Das Grundstück des Klägers liegt höher als das der Beklagten. Zwischen den Grundstücken befindet sich eine ca. 1 m bis 1,25 m hohe Geländestufe, an der eine Mauer verläuft. Auf dem Grundstück der Beklagten steht entlang der Geländestufe eine 6 m hohe Thujenhecke. Sie wurde zuletzt 2009 oder 2010 auf eine Höhe von ca. 2,90 m geschnitten, gemessen von ihrer Austrittstelle. Der Kläger verlangt von der Beklagten, die Hecke zweimal jährlich mit Ausnahme des Zeitraums vom 1. März bis 30. September auf eine Höhe von 2 m, gemessen ab dem oberen Ende der Mauer zwischen den Grundstücken der Parteien zurückzuschneiden. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.


Bisheriger Prozessverlauf:


Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht ihr stattgegeben.


Entscheidung des Bundesgerichtshofs:


Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB kann der Eigentümer eines Grundstücks verlangen, dass u.a. Bäume, Sträucher und Hecken, die in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden, nicht höher als 2 m sind. Anderenfalls kann er den Rückschnitt der Pflanzen verlangen. Die zulässige Höhe der Pflanzen ist grundsätzlich von der Stelle aus zu messen, an der diese aus dem Boden austreten. Das gilt aber nicht, wenn die Pflanzen auf einem Grundstück stehen, das tiefer als das Nachbargrundstück liegt. In diesem Fall ist eine Beeinträchtigung des höher gelegenen Grundstücks erst möglich, wenn die Pflanzen dessen Höhenniveau erreichen. Die zulässige Pflanzenwuchshöhe ist deshalb nicht von der Austrittstelle der Pflanzen, sondern von dem Bodenniveau des höher gelegenen Grundstücks aus zu bestimmen.

Das führt hier dazu, dass Verjährung nicht eingetreten ist. Nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 BayAGBG verjährt der Anspruch auf Rückschnitt in fünf Jahren. Der Anspruch des Klägers auf Rückschnitt ist entstanden, als die Thujenhecke zuletzt eine Höhe von 2 m, gemessen von der ca. 1 m hohen Geländestufe, und damit eine absolute Höhe von 3 m überschritten hat. Das war frühestens 2009 der Fall. Der zu diesem Zeitpunkt begonnene Lauf der Verjährungsfrist ist rechtzeitig gehemmt worden.

Nicht Gegenstand der Entscheidung war die Frage, wie die Messung im umgekehrten Fall zu erfolgen hat, also bei einer Grenzbepflanzung des höher gelegenen Nachbargrundstücks.

Urteil vom 2. Juni 2017- V ZR 230/16

Vorinstanzen:
AG Hersbruck - Urteil vom 14. Januar 2016 - 11 C 750/15
LG Nürnberg-Fürth - Urteil vom 25. August 2016 - 5 S 1274/16
Karlsruhe, den 2. Juni 2017

Art. 47 BayAGBGB Grenzabstand von Pflanzen

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, dass auf einem Nachbargrundstück nicht Bäume, Sträucher oder Hecken, Weinstöcke oder Hopfenstöcke in einer geringeren Entfernung als 0,50 m oder, falls sie über 2 m hoch sind, in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden.
[…]

* Art. 52 BayAGBGB Verjährung der nachbarrechtlichen Ansprüche

(1) … Der Anspruch auf Beseitigung eines die Art. 47 bis 50 und 51 Abs. 1 und 2 verletzenden Zustands verjährt in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist, und

2.
der Eigentümer des Grundstücks von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
[…]

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 02.06.2017

Bundesgerichtshof führt seine Rechtsprechung zur Anwendung der Generalklausel bei Wohnraumkündigungen fort

Urteil vom 10. Mai 2017 - VIII ZR 292/15

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung erneut mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch den Vermieter nach der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB* - hier zwecks Durchführung eines sozialen Wohngruppenprojekts durch einen Dritten - wirksam ist.


Sachverhalt und Prozessverlauf:


Die Beklagten sind seit dem Jahr 1996 Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung in Rostock, die sie vom Rechtsvorgänger des Klägers angemietet haben. Das Hausgrundstück, das im Jahr 2014 vom Kläger - einem eingetragenen Verein - erworben wurde, ist außerdem mit einer Scheune und einem Nebengebäude bebaut. Nach der Darstellung des Klägers sind sämtliche Gebäude sanierungsbedürftig.

Der Kläger ist zugleich an einer Gesellschaft (GmbH) beteiligt, die Trägerin vielfältiger Einrichtungen mit umfassender medizinischer, sozialer, pädagogischer und rehabilitativer Betreuung ist. Diese beabsichtigt, die Gebäude unter Nutzung von Fördermitteln (Investitionsbetrag nach §§ 75 ff. SGB XII pro Tag und Wohnplatz) und ohne finanzielle Belastung für den Kläger im Rahmen eines "Arbeits- und Lebensprojekts" zu sanieren und umzubauen. Dabei sollen im bisherigen Mehrfamilienhaus und in der Scheune psychosoziale Wohngruppen mit insgesamt 23 Wohnplätzen und im Nebengebäude eine Tischlerei und Grünholzwerkstatt untergebracht werden. Der Kläger möchte das Grundstück zur Verwirklichung dieses Projekts an die Gesellschaft vermieten.
Mit Schreiben vom 1. August 2013 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit den Beklagten nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB* und begründete dies damit, dass andernfalls das geplante Arbeits- und Lebensprojekt nicht realisiert werden könne. Denn die Zahlung eines Investitionszuschusses von 2,1 Mio. € sei unabdingbar mit der Schaffung der Wohnplätze auch im Wohngebäude verbunden. Die Beklagten widersprachen der Kündigung und machten geltend, ein Kündigungsgrund liege nicht vor.

Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage hatte in der ersten Instanz Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil allerdings abgeändert und die Klage abgewiesen, da der Kläger nicht ansatzweise dargelegt habe, welche Nachteile ihm selbst - und nicht der Gesellschaft - drohten, wenn das Projekt unter Aussparung der Wohnung der Beklagten umgesetzt würde.
Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht war mit der Umsetzung des Projekts unabhängig von den drei für die streitgegenständliche Wohnung geplanten Wohngruppenplätzen bereits begonnen worden. Es wurden nicht nur das Nebengebäude, sondern auch einzelne Räume des Wohnhauses nach ihrer Sanierung schon zweckentsprechend genutzt.



Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die streitgegenständliche Kündigung unwirksam ist, weil weder der vom Kläger geltend gemachte Kündigungstatbestand der Verwertungskündigung (573 Abs. 2 Nr. 3 BGB*) vorliegt noch ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB* gegeben ist. Der Kläger würde durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit den Beklagten - selbst wenn man ihm zusätzlich zu seinen wirtschaftlichen Interessen die Berufung auf die von der Gesellschaft verfolgten gemeinnützigen Interessen gestattete - keinen Nachteil "von einigem Gewicht" erleiden. Damit überträgt der Senat seine im Urteil vom 29. März 2017 entwickelte Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Anwendung der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB* bei einem Geschäftsbedarf des Vermieters (VIII ZR 45/16, noch nicht veröffentlicht; Pressemitteilung Nr. 43/2017) auf weitere Fälle des Nutzungsbedarfs des Vermieters.
Auch im nun entschiedenen Fall war einer der typisierten Regeltatbestände des § 573 Abs. 2 BGB*, in denen der Gesetzgeber für die praktisch bedeutsamsten Fallgruppen selbst geregelt hat, unter welchen Umständen dem Erlangungswunsch des Vermieters Vorrang vor dem Bestandinteresse des Mieters zukommt, nicht einschlägig. Der vom Kläger zusätzlich zur Generalklausel nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB* benannte Kündigungstatbestand der Verwertungskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB*) setzt voraus, dass der Vermieter durch den Fortbestand des Mietverhältnisses an einer Realisierung des dem Grundstück innewohnenden materiellen Werts, was in erster Linie durch Vermietung und Veräußerung geschieht, gehindert ist. Nach eigenen Angaben hegt der Kläger jedoch überhaupt nicht die Erwartung, durch die Vermietung des - nach der Sanierung im Wert gestiegenen Grundstücks - an die Gesellschaft höhere Mieteinnahmen zu erzielen, sondern verfolgt vielmehr die Absicht, das Anwesen der gewerblichen Nutzung zur Umsetzung eines sozialpolitisch erwünschten Zwecks zuzuführen. Damit schied schon mangels wirtschaftlicher Verwertungsabsicht eine Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB aus.

Bei Anwendung der danach allein noch in Betracht kommenden Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB* verlangt das Gesetz eine einzelfallbezogene Feststellung und Abwägung der beiderseitigen Belange der betroffenen Mietvertragsparteien. Für die Bestimmung des berechtigten Interesses haben die Gerichte zu beachten, dass sowohl die Rechtsposition des Vermieters als auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geschützt sind. Allgemein verbindliche Betrachtungen verbieten sich dabei.
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. März 2017 (VIII ZR 45/16; Pressemitteilung Nr. 43/2017) entschieden hat, geben die typisierten Regeltatbestände des § 573 Abs. 2 BGB* allerdings einen ersten Anhalt für die erforderliche Interessenbewertung und -abwägung. Die für die Anerkennung eines berechtigten Interesses im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB* erforderliche Gewichtigkeit der geltend gemachten Belange ist zunächst davon abhängig, mit welchem Regeltatbestand das geltend gemachte Interesse am ehesten vergleichbar ist. Ausgehend von diesen Grundsätzen reicht es in den Fällen, in denen das vom Vermieter geltend gemachte Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses eine größere Nähe zum Eigenbedarfstatbestand aufweist, regelmäßig aus, dass die Vorenthaltung der Mieträume für den Vermieter einen
beachtenswerten Nachteil begründet. Ist das angeführte Interesse dagegen mehr mit der von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB* erfassten wirtschaftlichen Verwertung vergleichbar, muss der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen, der je nach Fallgestaltung auch die Intensität eines erheblichen Nachteils im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB* erfordern kann.

Gemessen hieran ist im vorliegenden Fall ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Beendigung des Mietverhältnisses nicht gegeben. Dabei kann letztlich sogar offen bleiben, ob sich der Kläger als privater Vermieter überhaupt auf die Gemeinnützigkeit des von der Gesellschaft (GmbH) - und damit von einer juristischen Person, mit der er nur gesellschaftsvertraglich verbunden ist - verfolgten Projekts berufen kann. In diesem Fall wäre sein Interesse zwar (auch) darauf gerichtet, psychosoziale Wohngruppenplätze einzurichten, also am Ende die Mietwohnung aus Gründen der Gemeinnützigkeit wiederum Wohnzwecken (einschließlich einer umfassenden Betreuung) zuzuführen. Insofern bleibt der personale Einschlag des Nutzungsinteresses jedoch deutlich hinter dem der Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB*) zurück. Daneben verfolgt der Kläger auch (signifikante) wirtschaftliche Interessen. Zwar strebt er nicht die Erzielung höherer Mieten an, er will aber eigene Aufwendungen für die erforderlichen Sanierungs- und Umbaumaßnahmen ersparen, indem er das Grundstück der Gesellschaft zur Verwirklichung des von dieser geplanten - und inzwischen auch teilweise bereits umgesetzten - Projekts zur gewerblichen Nutzung überlässt. Außerdem ist er als Gesellschafter an einem möglichen Gewinn beteiligt.
Insgesamt weist die vom Kläger geltend gemachte Interessenlage damit eine größere Nähe zur Verwertungskündigung auf, so dass für die Annahme eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses erforderlich ist, dass der Vermieter durch die Vorenthaltung der Mieträume einen Nachteil von einigem Gewicht erleidet. Diese Schwelle erreichen die vom Kläger aufgeführten Gründe jedoch nicht. Insbesondere gefährdet die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach den vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Finanzierung und Verwirklichung des Gesamtprojekts nicht, sondern führt lediglich dazu, dass drei von insgesamt dreiundzwanzig geplanten Wohngruppenplätzen nicht geschaffen werden können.


* § 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. 2Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
[…]
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
[…]


Vorinstanzen:

Amtsgericht Rostock - Urteil vom 13. März 2015 - 47 C 438/14
Landgericht Rostock - Urteil vom 13. November 2015 - 1 S 64/15

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 10. Mai 2017

Fortsetzung eines Mietverhältnisses wegen unzumutbarer Härte: BGH konkretisiert Anforderungen an die Prüfung vorgetragener Härtegründe

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, in welchem Umfang sich Gerichte mit vom Mieter vorgetragenen Härtegründen bei der Entscheidung über eine Fortsetzung eines Mietverhältnisses nach § 574 Abs. 1 BGB auseinanderzusetzen haben.


Sachverhalt und Prozessverlauf:


Die Beklagten sind seit 1997 Mieter einer Dreieinhalbzimmerwohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Der (im Verlauf des Rechtsstreits verstorbene) Vermieter kündigte das Mietverhältnis mit der Begründung, dass er die Wohnung für die vierköpfige Familie seines Sohnes benötige, der bisher die im Obergeschoss liegende Wohnung bewohne und beabsichtige, diese Wohnung und die Wohnung der Beklagten zusammenzulegen, um zur Beseitigung der bislang beengten Wohnverhältnisse mehr Wohnraum für seine Familie zu schaffen.
Die Beklagten widersprachen der Kündigung und machten unter anderem geltend, der Sohn könne mit seiner Familie alternativ die leer stehende Dachgeschosswohnung nutzen. Jedenfalls könnten sie - die Beklagten - die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund persönlicher Härte verlangen, da der im Jahre 1930 geborene Beklagte zu 1 zahlreiche gesundheitliche Einschränkungen habe und an einer beginnenden Demenz leide, die sich zu verschlimmern drohe, wenn er aus seiner gewohnten Umgebung gerissen würde. Bei einem Verlust der bisherigen Wohnung sei ein Umzug in eine Altenpflegeeinrichtung nicht zu umgehen; insoweit lehne es die noch rüstige Beklagte zu 2 aber ab, sich entweder von ihrem Mann zu trennen oder selbst in ein Altenpflegeheim zu ziehen.
Die von den Erben des bisherigen Vermieters weiterverfolgte Räumungsklage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts könnten die Beklagten insbesondere auch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574 Abs. 1 BGB* nicht verlangen. Zwar könne das Vorbringen der Beklagten zu den Härtegründen als wahr unterstellt werden. Gleichwohl verdienten diese keinen Vorrang gegenüber den Interessen der Vermieterseite, nicht länger auf unabsehbare Zeit im eigenen Anwesen in beengten, einer Familie mit zwei Kindern nicht angemessenen Wohnverhältnissen leben oder sich auf die Dachgeschosswohnung verweisen lassen zu müssen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klagabweisungsbegehren weiter.


Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner heutigen Entscheidung die besondere Bedeutung unterstrichen, die bei der Prüfung von Härtegründen nach § 574 Abs. 1 BGB* der sorgfältigen Sachverhaltsfeststellung und Interessengewichtung zukommt. Insbesondere darf eine (vermeintliche) Wahrunterstellung vorgetragener Härtegründe nicht dazu führen, dass es das Gericht zum Nachteil des Mieters unterlässt, sich ein in die Tiefe gehendes eigenständiges Bild von dessen betroffenen Interessen zu verschaffen.
Nach § 574 Abs. 1 BGB* kann der Mieter einer an sich an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dabei müssen sich die Konsequenzen, die für den Mieter mit einem Umzug verbunden wären, deutlich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten abheben, um als tauglicher Härtegrund in Betracht zu kommen.
Dies hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zwar zutreffend erkannt. Es hat sich dann jedoch darauf beschränkt, den Beklagtenvortrag zu den Härtegründen formal als wahr zu unterstellen und anschließend zu dem Ergebnis zu gelangen, dass diese Härten keinesfalls Vorrang gegenüber den Interessen der Vermieterseite verdienten. Damit hat es das Berufungsgericht unterlassen, sich inhaltlich mit der im Beklagtenvortrag zum Ausdruck gekommenen existenziellen Bedeutung der Beibehaltung der bisherigen Wohnung in der gebotenen Weise auseinanderzusetzen.
Gerade bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr sind die Gerichte aber verfassungsrechtlich gehalten, ihre Entscheidung auf eine tragfähige Grundlage zu stellen, Beweisangeboten besonders sorgfältig nachzugehen sowie den daraus resultierenden Gefahren bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinreichend Rechnung zu tragen. Macht ein Mieter - wie hier - derart schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen eines erzwungenen Wohnungswechsels geltend, müssen sich die Gerichte bei Fehlen eigener Sachkunde mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen für den Mieter mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen erreichen können und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann. Erst dies versetzt die Gerichte in einem solchen Fall in die Lage, die Konsequenzen, die für den Mieter mit dem Umzug verbunden sind, im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 BGB* notwendigen Abwägung sachgerecht zu gewichten.
Nachdem die insoweit notwendigen Feststellungen bislang unterblieben sind, hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.



Vorinstanzen:

Amtsgericht Bühl - Urteil vom 16. Februar 2015 - 3 C 403/13
Landgericht Baden-Baden - Urteil vom 20. November 2015 - 2 S 12/15
Karlsruhe, den 15. März 2017


*§ 574 BGB Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung

(1) 1Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. 2Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.

Urteil vom 15. März 2017 - VIII ZR 270/15

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 15.März 2017