September 2017

Haufe.de: Landgericht Berlin hält Mietpreisbremse für verfassungswidrig

Die Mietpreisbremse ist nach Meinung des LG Berlin verfassungswidrig. Zu einer endgültigen Klärung dieser Frage durch das Bundesverfassungsgericht wird es vorerst aber nicht kommen.


Die 67. Zivilkammer des LG Berlin hält § 556d BGB, der die Mietpreisbremse regelt, für verfassungswidrig. In einem Hinweisbeschluss vertreten die Berliner Richter die Auffassung, die Mietpreisbremse, die an die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete anknüpft, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Mietpreise innerhalb Deutschlands seien sehr unterschiedlich. So belaufe sich die ortsübliche Vergleichsmiete in München auf ca. 12 Euro/Quadratmeter, während sie in Berlin ca. 7 Euro/Quadratmeter betrage. Dies sei ein Unterschied von über 70 Prozent. Damit habe der Gesetzgeber eine Bezugsgröße gewählt, die Vermieter in unterschiedlichen Städten wesentlich ungleich treffe. Das sei weder durch den Gesetzeszweck noch sonstige Gründe gerechtfertigt.

Ferner würden Vermieter, die schon in der Vergangenheit eine nach dem Maßstab der Mietpreisbremse zu hohe Miete (mehr als 10 Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete) vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt. Es sei nicht zu rechtfertigen, dass diese Vermieter bei einer Neuvermietung die bisherige Miete weiterhin verlangen dürften. Vermieter, die bei der Miethöhe bisher moderat agiert hätten, würden gegenüber solchen Vermietern benachteiligt, die in der Vergangenheit die maximal mögliche Miete verlangt und dadurch zur Wohnraumknappheit für Geringverdiener beigetragen hätten.


In dem Beschluss kündigte das Gericht auch an, sein Verfahren auszusetzen und die Frage zunächst dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Hierzu kommt es aber nicht, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse im konkreten Verfahren letztendlich nicht entscheidungserheblich war.

Mit ihrer Auffassung stellen sich die Richter der 67. Zivilkammer gegen ihre Kollegen von der 65. Zivilkammer. Diese hatten im März ausgeführt,
gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung zur Mietpreisbremse in § 556d Abs. 2 BGB bestünden keine Bedenken.
(
LG Berlin, Hinweisbeschluss v. 14.9.2017, 67 S 149/17)

Reaktionen der Immobilienverbände

Das Echo der Immobilienverbände auf den Beschluss des LG Berlin ist gespalten.

Der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland begrüßt die Auffassung der Berliner Richter und fordert, die Mietpreisbremse abzuschaffen. So sehen dies auch der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), der dem Beschluss „bundesweite Signalwirkung“ beimisst, der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) und der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA).

Der Deutsche Mieterbund verweist hingegen darauf, dass allein das Bundesverfassungsgericht gesetzliche Regelungen für verfassungswidrig erklären könne und verleiht dem Beschluss des LG Berlin das Prädikat „Viel Lärm um nichts“.

Auch andere Gerichte halten Mietpreisbremse für unwirksam

Vor dem LG Berlin hatten bereits
das AG München und das AG Hamburg-Altona die Mietpreisbremse für unwirksam angesehen. Die Amtsgerichte stellten allerdings nicht – wie nun das LG Berlin - die Vorschrift im BGB, die Grundlage für die Regelungen der Bundesländer ist, in Frage. Sie hielten vielmehr die Landesverordnungen, mit denen die von der Mietpreisbremse konkret erfassten Gebiete festgelegt werden, mangels ordnungsgemäßer Begründung für unwirksam.

Wahlkampfthema Mietpreisbremse
Die Zukunft der Mietpreisbremse ist auch Thema im Bundestagswahlkampf. Während die CDU eine Verschärfung ablehnt und die FDP für eine Abschaffung plädiert, fordern SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke in unterschiedlichen Ausprägungen eine Verschärfung.

Quelle: Haufe.de Online Redaktion vom 20.09.2017 –
Link zum Originalartikel

BGH: Kinderlärm ist normalerweise zulässig – aber nicht grenzenlos

In einem Mehrfamilienhaus sind gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen durch Kinderlärm grundsätzlich hinzunehmen. Allerdings gibt es Grenzen, die von den Umständen des Einzelfalls abhängen.


Hintergrund

Die Mieterin einer Wohnung verlangt vom Vermieter die Beseitigung von Lärmstörungen, die Feststellung eines Minderungsrechts sowie die Rückzahlung von unter Vorbehalt gezahlter Miete. Die Erdgeschosswohnung befindet sich in einem Achtfamilienhaus, das um 1900 erbaut wurde. 2012 zog in die darüberliegende Wohnung im ersten Obergeschoss eine Familie mit zwei kleinen Kindern ein.

Die Mieterin moniert, dass es seit dem Einzug der Familie aus der Wohnung fast täglich zu massiven Lärmstörungen durch Stampfen, Springen und Poltern sowie Schreie und sonstige lautstarke Auseinandersetzungen komme. Die Störungen hat sie teilweise in detaillierten Lärmprotokollen festgehalten. Die Mieterin macht eine Minderung von 50 Prozent geltend.

Vor Amts- und Landgericht blieb die Klage ohne Erfolg. Die Gerichte meinten, Kinderlärm sei zwar nicht in jeglicher Form und Intensität hinzunehmen. Grundsätzlich sei vielmehr bei jeder Art von Lärm einschließlich Kinderlärm auf die Belange und das Ruhebedürfnis der Nachbarn Rücksicht zu nehmen, wobei die Erziehungsberechtigten auch verpflichtet seien, Kinder zu einem rücksichtsvollen Verhalten bezüglich ihrer Bewegungen und akustischen Äußerungen anzuhalten. Das zulässige Maß sei hier aber nicht überschritten. Es sei normal, dass Kleinkinder rennen und fest auftreten, auch wenn dies in der Wohnung darunter als Stampfen empfunden werde. Auch könnten sich Kleinkinder nicht differenziert äußern, sondern bedienten sich akustischer Äußerungen, die andere Personen als Schreien oder Brüllen wahrnehmen. Soweit in den Lärmprotokollen ein Brüllen des Vaters verzeichnet sei, sei dies meistens darauf gerichtet gewesen, die Kinder zur Ruhe zu ermahnen. Dies zeige, dass die Nachbarn ihre Kinder gerade zu rücksichtvollem Verhalten anhalten wollten. Die lautstarken Äußerungen der Erwachsenen seien zwar nicht pädagogisch wertvoll, aber noch als sozial adäquat zu akzeptieren.

Entscheidung

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Das Landgericht hätte den Beanstandungen der Mieterin nachgehen müssen und die geschilderten Einwirkungen nicht ohne Weiteres als sozialadäquat einstufen dürfen.

In einem Mehrfamilienhaus sind gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen durch Lärm grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen. Sie begründen nicht ohne Weiteres einen Mangel. Dazu zählt auch üblicher Kinderlärm, den das Immissionsschutzrecht grundsätzlich als zumutbar behandelt. Andererseits hat die insoweit zu fordernde erhöhte Toleranz auch Grenzen. Diese sind im Einzelfall zu bestimmen. Dabei kommt es auf Art, Qualität, Dauer und Zeit der Geräusche sowie das Alter und den Gesundheitszustand des Kindes an. Ferner ist zu berücksichtigen, inwieweit sich die Geräuschimmissionen vermeiden lassen, etwa durch erzieherische Einwirkung auf das Kind oder durch bauliche Maßnahmen.

Das Landgericht ist zwar auch von diesem Ansatz ausgegangen, hat aber wesentliches Vorbringen der Mieterin, die die Einwirkungen sehr detailliert beschrieben hat, übergangen. Nach dem Vortrag der Mieterin und den vorgelegten Lärmprotokollen war das zulässige Maß an Lärm überschritten. Dabei hätte die Mieterin
nicht einmal Lärmprotokolle vorlegen müssen, um die Geräuschbelastung ausreichend darzulegen.

Das Landgericht muss nun vor einer erneuten Entscheidung über den Fall Beweis erheben. Außer der Vernehmung von Zeugen könnte noch ein Ortstermin in Frage kommen, damit sich das Gericht ein eigenes Bild von der Situation vor Ort machen kann; eventuell muss das Gericht auch einen Sachverständigen beiziehen, um zu klären, wie hellhörig das Haus wirklich ist.
(BGH, Beschluss v. 22.8.2017, VIII ZR 226/16)

Quelle: Haufe.de Online Redaktion vom 12.09.2017 –
Link zum Originalartikel