Juni 2017

Haufe.de: Wärmedämmung an Neubau darf nicht über die Grenze ragen

Ein Grundstückseigentümer muss eine grenzüberschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand des Nachbarhauses nicht dulden, wenn hierdurch Anforderungen der EnEV erfüllt werden, die beim Bau des Gebäudes schon gegolten haben.


Hintergrund: Dämmung ragt über die Grenze

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen vom Grundstücksnachbarn die Duldung von Baumaßnahmen.

Auf dem Grundstück des Nachbarn befindet sich ein Reihenendhaus, das an der Grenze zum WEG-Grundstück steht. An dieses Gebäude hatte ein Bauträger 2004/2005 das heute den Wohnungseigentümern gehörende Mehrfamilienhaus angebaut. Die Giebelwand des Mehrfamilienhauses steht entlang der Grundstücksgrenze gut eineinhalb Meter vor. In diesem Bereich der Giebelwand brachte der Bauträger im August 2005 eine Dämmung an, die sieben Zentimeter in das Nachbargrundstück hineinragt. Die Dämmung ist nicht verputzt und nicht gestrichen. Dies wollen die Wohnungseigentümer nachholen und Putz sowie einen Anstrich von 0.5 Zentimetern Dicke aufbringen. Hierbei stützen sie sich auf § 16a des Berliner Nachbargesetzes (NachbG Bln), der folgenden Wortlaut hat:


§ 16a NachbG Bln Wärmeschutzüberbau der Grenzwand
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks hat die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden, wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht.
[…]
(3) Der Begünstigte des Wärmeschutzüberbaus muss die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen und funktionsgerechten Zustand erhalten. Er ist zur baulichen Unterhaltung der wärmegedämmten Grenzwand verpflichtet.
Der Nachbar weigert sich, die beabsichtigte Maßnahme zu dulden.

Entscheidung: Ausnahme gilt nur für Altbauten

Die Duldungsklage hat keinen Erfolg. Die Wohnungseigentümer können sich in diesem Fall nicht auf § 16a NachbG Bln berufen.
Die dort geregelte Duldungspflicht gilt nicht für eine die Grundstücksgrenze überschreitende Wärmedämmung einer Grenzwand, mit der der benachbarte Grundstückseigentümer erstmals die Anforderungen der bei der Errichtung des Gebäudes bereits geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllt.
Der Landesgesetzgeber wollte Grundstückseigentümern nicht generell gestatten, eine Wärmedämmung grenzüberschreitend, also im Wege des Überbaus, anzubringen. Ziel der Regelung ist vielmehr, energetische Sanierungen von Altbauten zu erleichtern. Diese wurden bei Gebäuden, die auf der Grundstücksgrenze stehen, häufig dadurch erschwert, dass der Nachbar die notwendige Zustimmung zu dem durch die Verkleidung der Grenzwand mit einem Wärmeverbundsystem entstehenden Überbau verweigerte oder von unverhältnismäßigen finanziellen Forderungen abhängig machte. Dem sollte durch die Einführung einer Duldungspflicht begegnet werden.
Für Neubauten gilt die Duldungspflicht nicht, weil die Anforderungen der EnEV bereits bei der Planung berücksichtigt werden können. Neubauten sind so zu planen, dass sich die Wärmedämmung in den Grenzen des eigenen Grundstücks befindet.
Das hat der Bauträger bei Errichtung des Gebäudes 2004/2005 nicht beachtet. Er hat trotz der Anforderungen der EnEV das ungedämmte Mehrfamilienhaus unmittelbar an die Grenze zum Nachbargrundstück gebaut. In dieser Situation gilt die Duldungspflicht des Nachbarn nach § 16a Abs. 1 NachbG Bln nicht.

(BGH, Urteil v. 2.6.2017, V ZR 196/16)

Quelle: Haufe.de Online Redaktion vom 02.06.2017 –
Link zum Originalartikel

BGH: Heckenhöhe bei Grundstücken in Hanglage

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass bei einer Grenzbepflanzung eines Grundstücks, das tiefer liegt als das Nachbargrundstück, die nach den nachbarrechtlichen Vorschriften (hier: Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB) zulässige Pflanzenwuchshöhe von dem höheren Geländeniveau des Nachbargrundstücks aus zu messen ist.

Sachverhalt:


Die Parteien sind Eigentümer aneinandergrenzender Grundstücke in Hanglage in Bayern. Das Grundstück des Klägers liegt höher als das der Beklagten. Zwischen den Grundstücken befindet sich eine ca. 1 m bis 1,25 m hohe Geländestufe, an der eine Mauer verläuft. Auf dem Grundstück der Beklagten steht entlang der Geländestufe eine 6 m hohe Thujenhecke. Sie wurde zuletzt 2009 oder 2010 auf eine Höhe von ca. 2,90 m geschnitten, gemessen von ihrer Austrittstelle. Der Kläger verlangt von der Beklagten, die Hecke zweimal jährlich mit Ausnahme des Zeitraums vom 1. März bis 30. September auf eine Höhe von 2 m, gemessen ab dem oberen Ende der Mauer zwischen den Grundstücken der Parteien zurückzuschneiden. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.


Bisheriger Prozessverlauf:


Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht ihr stattgegeben.


Entscheidung des Bundesgerichtshofs:


Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB kann der Eigentümer eines Grundstücks verlangen, dass u.a. Bäume, Sträucher und Hecken, die in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden, nicht höher als 2 m sind. Anderenfalls kann er den Rückschnitt der Pflanzen verlangen. Die zulässige Höhe der Pflanzen ist grundsätzlich von der Stelle aus zu messen, an der diese aus dem Boden austreten. Das gilt aber nicht, wenn die Pflanzen auf einem Grundstück stehen, das tiefer als das Nachbargrundstück liegt. In diesem Fall ist eine Beeinträchtigung des höher gelegenen Grundstücks erst möglich, wenn die Pflanzen dessen Höhenniveau erreichen. Die zulässige Pflanzenwuchshöhe ist deshalb nicht von der Austrittstelle der Pflanzen, sondern von dem Bodenniveau des höher gelegenen Grundstücks aus zu bestimmen.

Das führt hier dazu, dass Verjährung nicht eingetreten ist. Nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 BayAGBG verjährt der Anspruch auf Rückschnitt in fünf Jahren. Der Anspruch des Klägers auf Rückschnitt ist entstanden, als die Thujenhecke zuletzt eine Höhe von 2 m, gemessen von der ca. 1 m hohen Geländestufe, und damit eine absolute Höhe von 3 m überschritten hat. Das war frühestens 2009 der Fall. Der zu diesem Zeitpunkt begonnene Lauf der Verjährungsfrist ist rechtzeitig gehemmt worden.

Nicht Gegenstand der Entscheidung war die Frage, wie die Messung im umgekehrten Fall zu erfolgen hat, also bei einer Grenzbepflanzung des höher gelegenen Nachbargrundstücks.

Urteil vom 2. Juni 2017- V ZR 230/16

Vorinstanzen:
AG Hersbruck - Urteil vom 14. Januar 2016 - 11 C 750/15
LG Nürnberg-Fürth - Urteil vom 25. August 2016 - 5 S 1274/16
Karlsruhe, den 2. Juni 2017

Art. 47 BayAGBGB Grenzabstand von Pflanzen

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, dass auf einem Nachbargrundstück nicht Bäume, Sträucher oder Hecken, Weinstöcke oder Hopfenstöcke in einer geringeren Entfernung als 0,50 m oder, falls sie über 2 m hoch sind, in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden.
[…]

* Art. 52 BayAGBGB Verjährung der nachbarrechtlichen Ansprüche

(1) … Der Anspruch auf Beseitigung eines die Art. 47 bis 50 und 51 Abs. 1 und 2 verletzenden Zustands verjährt in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist, und

2.
der Eigentümer des Grundstücks von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
[…]

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 02.06.2017