August 2020

VDIV: Mietrecht > Bei einer Modernisierungsmieterhöhung ist Instandhaltungsanteil abzuziehen

Werden alte Bauteile im Rahmen einer Modernisierung erneuert, ist bei der Modernisierungsmieterhöhung nach §§ 559 Abs. 2, 559b Abs. 1 BGB auch dann ein Anteil für Instandhaltung herauszurechnen, wenn die Bauteile noch funktionsfähig und die Instandhaltungsmaßnahmen noch nicht „fällig″ waren. Ein Abzug anteiliger ersparter Instandhaltungskosten ist dann geboten, wenn bereits ein nicht unerheblicher Teil ihrer Nutzungsdauer verstrichen war.

Der Fall

Die Vermieter einer Wohnung in Düsseldorf kündigten gegenüber einer Mieterin mit Schreiben vom 30.05.2015 eine Erhöhung der Miete nach Abschluss der Arbeiten von verschiedenen baulichen Veränderungen an. Die Nettokaltmiete betrug zuletzt 306,83 Euro. Die Baumaßnahmen wurden im Jahr 2016 ausgeführt. Diese umfassten unter anderem die Umstellung der Heizungsanlage von einer Beheizung mittels Gastherme auf Fernwärme, die Erneuerung der etwa 60 Jahre alten Eingangstür zur Wohnung der Mieterin, der ebenso alten Treppenhausfenster und Haustüren nebst Briefkastenanlage, die Neuverlegung von elektrischen Leitungen samt Erneuerung der Hausbeleuchtung einschließlich des erstmaligen Einbaus von Bewegungsmeldern sowie einer Gegensprechanlage, den Austausch der Fenster in der Wohnung der Mieterin sowie die erstmalige Wärmedämmung des Daches, der Fassade sowie der Kellerdecke.
Mit Schreiben vom 11.10.2016 erklärten die Vermieter die Erhöhung der Nettokaltmiete zum 01.01.2017 um 189,68 Euro und mit weiterem Schreiben vom 19.07.2017 zum 01.01.2017 um 241,55 Euro. Die Mieterin begehrte daraufhin die Feststellung, dass die Mieterhöhungen unberechtigt seien. Das Amtsgericht hatte der Feststellungsklage stattgegeben, da beide Erhöhungsverlangen bereits formell unwirksam seien. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der ersten Mieterhöhungserklärung die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt. Bezüglich der zweiten Erhöhung hat es festgestellt, dass diese Erklärung jedenfalls teilweise in formeller wie materieller Hinsicht wirksam und das Mieterhöhungsschreiben nur in Bezug auf die Umstellung der Heizung von Gas- auf Fernwärme unzureichend sei. Laut Begründung der Berufungsinstanz führe dies jedoch nicht zur Gesamtnichtigkeit des Erhöhungsschreibens nach § 139 BGB.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit dorthin zurückverwiesen. Die Vermieter hätten die Kosten für die Erneuerung der 60 Jahre alten Bauteile bei der Berechnung der Modernisierungsmieterhöhung nicht in voller Höhe ansetzen dürfen. Nach bestimmten Modernisierungsmaßnahmen kann gemäß § 559 Abs. 1 BGB ein Vermieter die jährliche Miete um 11 Prozent (bis 2018) beziehungsweise 8 Prozent (seit 2019) der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen. Kosten, die für die Instandhaltung dabei erforderlich gewesen wären, gehören nach § 559 Abs. 2 BGB nicht dazu.

Nach Auffassung des BGH hat die Berufungsinstanz im vorliegenden Fall verkannt, dass bei einer modernisierenden Erneuerung von Bauteilen oder Einrichtungen die dafür vom Vermieter aufgewendeten Kosten auch dann nicht vollständig auf den Mieter nach § 559 Abs. 1 BGB umgelegt werden können, wenn zum Zeitpunkt der Modernisierung zwar noch kein „fälliger“ Instandsetzungsbedarf bestand, aber bereits ein nicht unerheblicher Teil ihrer Nutzungsdauer verstrichen war und deshalb ein Abzug anteiliger ersparter Instandhaltungskosten gemäß § 559 Abs. 2 BGB geboten ist. Denn nach dem Regelungszweck dieser Normen verbietet es sich, in Fällen, in denen schon länger genutzte Bauteile durch solche von besserer Qualität und höherem Wohnkomfort ersetzt werden, die gesamten für diese Baumaßnahme aufgewendeten Kosten ungekürzt auf den Mieter umzulegen. Denn Sinn der Modernisierungsvorschriften ist es gerade nicht, dem Vermieter (teilweise) auch die Umlage von Instandhaltungskosten auf den Mieter zu ermöglichen. Den Vermieter trifft dabei grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Erhöhung der Miete nach Modernisierung gemäß §§ 559 Abs. 1 und 559 b Abs. 1 S. 1 BGB vollständig vorliegen. Der Anteil der Kosten, der auf die Modernisierung entfällt und umlagefähig ist und der nicht umlagefähige Instandhaltungsanteil sind durch Schätzung zu ermitteln, die sich an der üblichen Lebensdauer der erneuerten Einrichtung und dem bereits eingetretenen Abnutzungsgrad orientiert.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Juni 2020, Az. VIII ZR 81/19

Vorinstanzen: LG Düsseldorf, 6. März 2019, Az. 5 S 13/18 AG Düsseldorf, 6. Februar 2018, Az. 37 C 173/17


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VDIV: Ortstermine mit Sachverständigen sind auch in Corona-Zeiten durchzuführen

Ist zur Beweisaufnahme ein Ortstermin mit einem Sachverständigen erforderlich, ist der Termin trotz Corona-bedingter Bedenken einer Partei durchzuführen. Die Einhaltung der üblichen Infektionsschutzregeln hat dabei der Sachverständige sicherzustellen, wie das LG Saarbrücken entschied.

Der Fall
Wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum und in einzelnen Sondereigentumseinheiten hatte eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens beantragt. Gegen die vom Gericht angeordnete umfangreiche bausachverständige Begutachtung hatte sich jedoch eine der Parteien aufgrund Corona-bedingter Bedenken ausgesprochen. In der Folge wandte sich der Sachverständige mit der Bitte um Anweisung an das Gericht, wie in der Sache weiter verfahren werden soll.

Die Entscheidung
Das LG Saarbrücken hat entschieden, dass der für die Beweiserhebung zwingend erforderliche Ortstermin stattzufinden hat. Die Furcht einer Partei vor einer Infektion mit dem Corona-Virus sei allein kein erheblicher Grund, keinen Ortstermin durchzuführen. Werden die allgemeinen Regeln des Infektionsschutzes eingehalten, könnten die Termine in dem vorliegenden selbstständigen Beweisverfahren durchgeführt werden, auch wenn an ihnen notwendigerweise fünf Personen oder mehr teilnehmen müssten. Dabei obliege es dem Sachverständigen, den notwendigen Infektionsschutz durch Anordnung der allgemeinen Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht oder Einhaltung des Abstandsgebots sicherzustellen.

Das Gericht führt zudem aus, dass – sofern es seitens einer Partei Bedenken gebe, derzeit einen Ortstermin durchzuführen – diese Partei angehalten sei, für den Eigenschutz zu sorgen oder sich vertreten zu lassen. Der Ortstermin zwinge die Partei nicht dazu, selbst bei den sachverständigen Feststellungen vor Ort anwesend zu sein – sie könne zu den gutachterlichen Feststellungen auch nach Vorliegen des Gutachtens Stellung nehmen.

Dem Landgericht sei bei dieser Entscheidung bewusst, dass die obigen theoretischen Ausführungen zum Infektionsschutz auf besondere praktische Schwierigkeiten stoßen. Da zum Teil konkrete Feststellungen in kleinen Räumen wie Bädern zu treffen sein werden, werde die Einhaltung der Abstandsregeln erschwert. Das Landgericht könne nur an die Parteien appellieren, durch besondere Disziplin einen größtmöglichen Infektionsschutz sicherzustellen.

LG Saarbrücken, Beschluss vom 12.05.2020, 15 OH 61/19


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